Auf der Bühne des eigenen
Bewusstseins
RR: Ich habe mir unter dem Namen Prof. Dr. Jörg Purner jemanden vorgestellt. Jetzt sehe ich Sie zum ersten Mal, eine Person die anders ist.
Jörg Purner: Das will ich ja schwer hoffen. Ausgiebiges Lachen.
RR: Was hat Sie in Ihrem Leben dazu gebracht, in die Fachbereiche des Unsichtbaren einzutauchen?
Purner: Die ersten Geschichten waren in der Kindheit. Es waren seltsame, unangenehme Plätze, bei denen man gemerkt hat, da ist was. Zum Beispiel im Galgenbühl, wo offensichtlich Wesen anwesend waren. Man sieht sie nicht, man spürt sie. Es war unangenehm und natürlich Nervenkitzel, spannend und heftig. Dann ist durch sogenannte Bildung und das Studium alles wegrationalisiert worden. Die Erinnerung an eine nicht offensichtliche Wirklichkeit ist geblieben. Im Rahmen meiner Assistententätigkeit an der Universität Graz und Innsbruck ergab sich die Möglichkeit, Radiästhesie zu entdecken. Durch Untersuchungen unter Laborbedingungen habe ich gesehen, dass da was dran ist und man das Phänomen statistisch absichern kann. Das war sehr erfrischend für mich. Dann ist in den 70er Jahren rausgekommen, dass es spannend wäre zu klären, wie das mit Kirchen und Kultstätten ist. Damals war in der Radiästhesie oder Geomantie das Thema Orte der Kraft noch kein Thema. Es ging nur um die Störplätze. Da habe ich Neuland betreten und über Jahre systematisch gearbeitet. Ich konnte am Institut in Innsbruck belegen, dass ich statistisch abgesichert bin, dass eine bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Rutenausschläge nicht reine Erfindung sind. Dadurch ist zum Thema Reaktionszonen im Bereich von Kirchen und Kultstätten eine Doktorarbeit entstanden, die ich heute nicht ansatzweise so machen würde wie damals. Ich bin sehr naiv an die Sache herangegangen. Das hat Riesenprobleme gegeben, weil Widerstand da war, aber mit Geduld ist es doch geworden: Plötzlich war da ein Doktorand, der im Bereich Architektur über radiästhetische Untersuchungen erreicht hat, uralte Fragen zu klären. Im architektonischen Zusammenhang ist eine uralte Frage: Warum stehen Kirchen und Kultstätten da wo sie sind und nicht anderswo? Das war sozusagen ein Quantensprung in der Karriere bezüglich Radiästhesie. Es waren damals Medien interessiert. Es gab Film- und Rundfunkbeiträge. Aber im Jahre 1985 anlässlich eines Events im italienischen Fernsehen ist mir bewusst geworden, dass es das alles nicht braucht. Ab da habe ich die Radiästhesie, die Untersuchung von Kirchen und Kultstätten aufgegeben und in der Richtung weitergeforscht, bei der der Mensch selbst der wichtigste Ort der Kraft ist. Wenn jemand Orte der Kraft untersuchen will, ist das voll in Ordnung. Warum nicht? Aber er soll nicht versäumen, sich selber als Ort der Kraft zu entdecken.
RR: Wie haben Sie in der späteren Phase der Forschung die statistische Absicherung erreichen können?
Jörg Purner: Um mich selber als Ort der Kraft zu entdecken braucht es keine Statistik mehr.
RR: Das war ein Selbststudium?
Jörg Purner: Jawohl. Sich selber entdecken und im umfassenden Sinne
Autograf dessen sein, was wir schöpfen können. Das habe ich auch im universitären Zusammenhang mit dem Thema Kraft der Sinne verwenden können, um zu entdecken, dass man ein Autograf ist, der je nachdem wie er diese Dinge anschaut, auch bestimmte Realitäten erschaffen kann. Um dieses Thema geht es letztlich in der Architektur. Eigentlich sollte ein Architekt Orte der Kraft schaffen und nicht irgendwelche coolen Gebäude, die gerade in Mode sind.
RR: Haben Sie das Thema Der Mensch als Ort der Kraft an der Uni gelehrt?
Jörg Purner: Das habe ich im Fach Randgebiete der Baukunst gut lehren können oder auch in der sogenannten Gestaltungslehre, bei der es um die Basics der Wahrnehmung gegangen ist. Und zwar so, dass es phänomenologisch aufgezogen wurde. Ohne Diktat So ist es wurde jede und jeder freundlich eingeladen, sich selbst zu entdecken. Als Mittelpunkt der Welt im Hier und Jetzt hängt es von einem selbst ab, was man alles wahrnimmt oder nicht, ausblendet oder vertieft. Die Sinneswahrnehmung ist ein ganz seriöser Einstieg in eine Veränderung und Verfeinerung der Wahrnehmung.
Nach meinem Ruhestand wurde ich noch sieben Jahre gebeten, das weiter anzubieten, weil nichts in diese Richtung gelehrt wird. Für mich war selbstverständlich, dass man als angehender Architekt umfassender und subtiler wahrnehmen sollte als ein normaler Mensch, um das so zu nennen. Dieses Anliegen wurde sehr geschätzt. Aber ich habe es deshalb sein lassen, weil die Grundlagen, das überhaupt zu machen, fehlen: Inzwischen sind die Digitalisierung und coole Entwürfe machen im Vordergrund. Das ist nicht mein Business, sondern ganz einfach dort, wo man ist, anfangen: Wahrnehmungsschulung. Und wenn’s interessiert, weitergehen. Fehlendes Interesse gab es auch: Viele Studenten haben das Fach nur gemacht, weil sie einen Schein haben wollten. Ich habe ihnen gesagt, dass diejenigen, die den Schein haben wollen, enttäuscht sein werden, weil sie an sich selber etwas machen müssen. Das war ungewohnt.
RR: Gab es Architekten, die diesen inneren Weg auf sich nehmen wollten, um gute Fachleute zu werden?
Jörg Purner: Aus der Architekturszene nicht. Aber viele Studenten haben es freudig aufgegriffen und umgesetzt. Der Weg ist ja nie abgeschlossen.
RR: Was ist in Ihrer post-radiästhetischen Phase wichtig?
Jörg Purner: Da geht es um die Phänomenologie der Wahrnehmung. Was für Sinneseindrücke entstehen und wie kann man damit umgehen? Das geht natürlich sehr ins Subjektive, aber wir sollten aus meiner Sicht zu uns selbst als Subjekt stehen, als Autograf, der seine Wirklichkeit kreiert.
RR: Was sind die wichtigsten Kriterien, um diesen Ort der Kraft in sich selber herstellen und pflegen zu können?
Jörg Purner: Das braucht Zeit. Das ist natürlich Mangelware in Zeiten wie diesen, aber die muss man sich gönnen. Man muss im guten Sinne langsamer werden, sich Zeit lassen. Das ist der Weg und eigentlich ist das Ziel, sich zu bewegen. Nicht der Weg ist das Ziel, sondern sich in diese Richtung zu bewegen.
RR: Wir beleuchten in RR das Thema der Seelenpflege. Können Sie eine Definition des Begriffs Seele anbieten?
Jörg Purner: Mit Definitionen bin ich inzwischen über Kreuz: Definition heisst Begrenzung. Die Seele ist nicht so begrenzt, wie wir vielleicht meinen. Natürlich ist charakteristisch, dass es sich um etwas Metaphysisches handelt, was immer das heisst. Wo fängt das Metaphysische an? Gibt es etwas jenseits von metaphysisch? Das sind schon sehr tiefreichende Fragen. Da kommt man darauf, dass wenn es ein ernsthafter Vorstoss ist, es sehr wohl eine Dimension, vielleicht eine dimensionslose Dimension jenseits von Seele und Geist gibt. Da wird es für einen Autografen, der hier auf Erden ist, echt spannend. Es geht wirklich um die Entdeckung von dem, was in jedem steckt. Es geht nur darum, dass man es offenlegt, sich eine Chance gibt, es offenzulegen. Das ist für mich das Essenzielle. Es geht in eine Richtung des Undenkbaren, aber Erfahrbaren. Die Erfahrung durch die Beschäftigung mit den Sinnen.
RR: Erfahrbar. Dazu gehört auch der Tod. Wir sind hier auf einem Friedhof. Sie sind 79 Jahre alt. Setzen Sie sich mit dem Tod auseinander?
Jörg Purner: Ja. Wir sterben permanent.
RR: Wie stehen Sie der Möglichkeit, dass der Tod Tatsache wird, gegenüber?
Jörg Purner: Mit Freude, Offenheit, Durchlässigkeit. Da ist nichts Beängstigendes. Ganz im Gegenteil, aber man muss es jetzt nicht beschleunigen. Beide Lachen.
RR: Es macht mir Freude mit Ihnen!
Jörg Purner: Der Tod ist eine ganz wichtige Erfahrung. Aber das Essenzielle stirbt nicht. Das geht nicht.
RR: Da sind wir bei der Seele?
Jörg Purner: Jenseits der Seele. Tut mir leid. Lachen. Die Seele ist leider nicht unsterblich, wie viele hoffen, denen ihr Leben lang eingetrichtert wurde, sie hätten eine unsterbliche Seele. Aber das sind Erfahrungen, die man nicht so einfach weitergeben kann.
RR: Die nächste Frage: Was ist das Unsterbliche?
Jörg Purner: Was könnte das sein? Für Sie?
RR: Gibt es nur die eine Seele? Und ist sie unsterblich?
Jörg Purner: Dann würde ich es nicht Seele nennen. Man könnte auch von der Seins-Immanenz sprechen. Die Namen sind nicht so wichtig. Wichtig ist, dass man als derjenige, der den Namen verwendet oder vielleicht auch anbetet, weiss, was damit gemeint ist. Das kann jeder wieder nur selber entdecken. Ob er das Gott nennt, was immer darunter gemeint ist. Viele fragen sich nicht: Was meine ich eigentlich mit Gott oder Seele oder Geist? Sie verwenden die Namen, aber verinnerlichen nie das Essenzielle. Da ist sie wieder, diese Arbeit an sich selber als Ort der Kraft.
RR: Ich lebe die Vorstellung, Gott, die Schöpfung, die Geistige Welt ist die Grundlage von allem. Gibt es eine Reinkarnation?
Jörg Purner: Was inkarniert? Seele? Geist? Da sind wir im Sumpf des Münchhausen. Ich würde es so sagen: Diese Reinkarnationsidee geistert in allen Kulturen, also gibt es verschiedene Modelle. Der Mensch möchte immer verstehen, geistig mitkommen und denken können. Das ist alles Einengung. Der Verstand ist Gefängnis. Jeder Gedanke ist Gefängnis. Das Loslassen-Können ist das Essenzielle. Es gibt hochdotierte Workshops, in denen dieses Loslassen geübt wird. In denen ein Kompetenter oder scheinbar Kompetenter Anleitungen gibt. Bei diesen gruppendynamischen Prozessen bin ich eher vorsichtig. Ich würde eher schauen, dass man selber einsteigt in dieses Schöpfungsgeheimnis.
«Das Loslassen-Können ist das Essenzielle.»
Jörg Purner
RR: Was machen Sie am liebsten?
Jörg Purner: In dem Moment, wo ich nachdenken muss, ist das für mich schon verdächtig. Beide Lachen. Über das Leben zu reden ist schwierig. Man lebt einfach. Aber nicht einfach in den Tag, sondern es hat Struktur und Alltagsroutinen. Aber es gibt immer Ausnahmesituationen. Ich will es so sagen: Ich bewege mich täglich physisch und metaphysisch.
RR: Im Zusammenhang mit Loslassen als Königsweg ist das verständlich. Heisst das, die Wissenschaft der Zukunft spielt sich ausserhalb unseres Verstandes ab?
Jörg Purner: Die Wissenschaft, die mit Verstand, Vernunft und Gedanken agiert, ist schon okay. Nur man sollte einen Blick dafür haben, dass wir uns dadurch begrenzen. Wenn man das weiss, kann man es ja mal riskieren, eine Eingrenzung vorzunehmen. So wie bei der Frage nach der Definition. Ich versuche eher zu charakterisieren, nicht zu definieren. Durch Charakterisierung eröffnet sich etwas und durch Definition begrenzt es sich.
RR: Zu Ihrem neuesten Buch Der Quantensprung Teil zwei. Vom «Ich denke, also bin ich» ins reine Gewahrsein. Gibt es eine Quintessenz?
Jörg Purner: Das Buch ist wieder in Richtung gewisser Meditationen. Es wird beschrieben, was ich als Erfahrung vor mir habe. Wenn es gelingt, diese Inhalte so zu lesen, dass sich das damit Gemeinte erschliesst, was sehr viel wäre, weil das müssen viele erst in ihre Sprache übersetzen. Das Buch ist zum Teil in meiner Denk- und Sprechweise geschrieben. Da steht man am Anfang ein bissl an. Was meint er zum Beispiel mit diesem transzendierenden Lesen? Also, man muss weg vom Gedanken, das Essenzielle hat keine Gedankenform.
RR: Als Leser darf ich mich von Gedanken entfernen, keine Gedanken haben?
Jörg Purner: Ja. Das ist die Einladung, dass man das phasenweise für sich schafft. Vieles lässt sich einfach auf der Verstandesebene leisten oder vielleicht sogar das Ganze. Aber wenn es ums Eingemachte geht, also um das, was jenseits von Körper, Seele, Geist, Verstand, dem Ich ist, da ist dieses transzendierende Lesen ganz wichtig. Das muss jeder einmal für sich akzeptieren können, dass das möglicherweise ein Übungsprojekt für einen sein kann. Wenn man irgendwelche Passagen in diese Richtung zu lesen schafft, dann wird man schon merken, was der Wahnsinnige meint.
RR: Eine andersartige Lesetechnik also. Ist eines von Ihren über zehn veröffentlichten Büchern als Einstieg in diese Lesetechnik besonders geeignet?
Jörg Purner: In den letzten sechs Büchern ist diese Lesetechnik gefragt. Aber das kennt man ja auch beim Gedicht. Man liest ein Gedicht nicht mit dem Verstand. Da passiert ein Quantensprung, indem man reinschlüpft in das damit Gemeinte. Und das erschliesst man sich erst aus Erfahrung.
RR: Anhand des Umfangs der Bücher nehme ich an, dass es sich bei Ihrem Stil nicht um Verknappung handelt.
Purner: Ich kann mir vorstellen, dass jemand im Inhaltsverzeichnis nachschaut, etwas anliest und sagt: «Der hat sie nicht alle.» Oder er steigt ein und vielleicht hat er genau das richtige Kapitel. Vielleicht ist es gar nicht nötig, das ganze Buch zu lesen, weil es geht ja um den Quantensprung.
RR: Der geschieht plötzlich?
Purner: Kann sein. Ja. Es ist ein inneres Ereignis und findet auf der Bühne des eigenen Bewusstseins statt. Nicht mit dem Verstand. Das heisst, der Verstand kann einem helfen, dass man’s versteht. Aber das Verstehen ist wie die Vorstellung, da ist etwas, was man versteht. Aber Vorstellung verstellt einem den Weg zum Essenziellen. Da geht es um eine Art von wach.
RR: Danke für das Gespräch.
12 Bücher von Jörg Purner
Mensch, Wünschelrute, Krankheit, M&T-Verlag 1985
Orte der Kraft – Kräfte des Lebens, Fischer Verlag 1991
Radiästhesie – Ein Weg zum Licht? – Mit der Wünschelrute auf der Suche nach dem Geheimnis der Kultstätten, Edition Astrodata, 1993, 4. Auflage 2002
Im Zeichen der Wandlung – Über Forschungen und
Erfahrungen auf dem Weg in eine andere Wirklichkeit, Novalis-Verlag 2000, 2. Auflage 2008
Einführung in die Phänomenologie materieller und
immaterieller Wirklichkeiten, Universität Innsbruck 2006
Im Zeichen der Einheit – Auf dem Weg zu einem integralen Bewusstsein, Novalis-Verlag, 2010
Einsichten auf dem Weg spirituellen Erwachens, Band I und II, BoD, 2015 und 2017
Bewusstsein erschafft Realität, Band I und II, BoD 2019, 2020
Der Quantensprung: Vom «Ich denke also bin ich» zum reinen Gewahrsein, Band I und II, BoD 2022, 2023
Prof. Dipl.-Ing. Dr.-Tech. Jörg Purner
A-6069 Gnadenwald
Joerg.Purner@uibk.ac.at
Grundlagen
architektonischer
Gestaltung, Immaterielle Dimensionen der
Baugestaltung,
Wahrnehmungsschulung.
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