Drachenritt

«Über die Bergrücken windet sich ein nebliges, in sich pulsierendes Schlangenband. Minimal und kaum wahrnehmbar zittert der Boden unter den Füssen. Ich schliesse die Augen. Das Zittern wird zum Vibrieren. Von unten nach oben schlängeln sich Wellen sehr intensiv durch meinen Körper. In den Ohren ertönt ein Brausen wie von Tausend wilden Windgeistern. Unter meinen Füssen windet sich in Spiralen eine kraftvolle Energie an einer dicken Säule empor. Dann bricht die Erde auf und ein gewaltiger Drache schiesst heraus. Weil ich gerade dort stehe, lande ich beim Aufbäumen des Drachenkörpers auf seinem Rücken. Sekundenbruchteile später breitet der Drache seine Flügel aus und erhebt sich mit mir in den Himmel. Ich reite auf dem Drachen!
Träume ich? Der kalte Luftzug und der unglaubliche Lärm nehmen mir die Antwort ab. Die Flügel sehen wie Leder aus. Der Drachenkörper kommt mir warm und vertraut vor. Auch die grossen Hautschuppen fühlen sich weich an. Angst verspüre ich nicht, auch nicht als unter mir die Burg, die Berge und die Erde immer kleiner werden. Bloss nicht jetzt und hier von seinem Rücken runterrutschen! Der Drache bemerkt mich und übergangslos spüre ich wieder festen Boden unter meinen Füssen.»
Ich öffne meine Augen. Goldenes Licht umgibt unseren Kreis. Die Sonne scheint warm in mein Gesicht, leises Gemurmel dringt an mein Ohr, die Hände rechts und links lösen sich sachte aus meinen Händen. Wo bin ich und was tue ich hier? Begann unsere Meditation vor einigen Minuten, Stunden, Tagen, Monaten, Jahren oder Jahrzehnten?
Ich erinnere mich, wie wir uns auf dem Turm der Burg Quéribus zu einem Kreis zusammenstellten, immer die linke, aufnehmende Hand nach oben geöffnet und die rechte, abgebende Hand nach unten geöffnet dem Nachbarn gebend. Dann spürte ich dieses Vibrieren und der Drachenritt begann. War ich in ein altes Transformationsritual der Katharer geraten?
Die Katharer in Südfrankreich
Im südfranzösischen Languedoc, den Ausläufern der Pyrenäen, finden wir die beeindruckenden Burgen der Katharer. Wie Adlerhorste kleben sie an und auf fast uneinnehmbaren, steilen Felsen. In den Türmen sollen sie ihre Transformationsriten abgehalten haben.
Wer waren die Katharer? Hatten sie eine spezielle Lehre? Waren sie frühe Geomanten? War es ihnen wichtig, dass auf den Plätzen, an denen ihre Burgen standen, besondere Schwingungen herrschten oder spüren wir besondere Energien, weil sie dort spezielle Riten zelebrierten?
Okzitanien, wie der Südwesten Frankreichs genannt wurde, war schon immer ein Schmelztiegel der Kulturen, Völker und Weltanschauungen. Griechen, Römer, Iberer, Tektosagen, Westgoten, Araber und eine Vielzahl anderer Einwanderer hatten hier im Mittelalter einen Boden für eine Gesellschaft bereitet, die durch Fernhandel, Handwerk und Künste geprägt war und als freiheitsliebend und tolerant bezeichnet werden konnte. Parallel entwickelte sich die dualistisch ausgerichtete Religion der Katharer. Diese hingen der christlichen Lehre an, standen aber dem Katholizismus kritisch bis ablehnend gegenüber. Die Bezeichnung Katharer ist von dem griechischen Begriff catharoi – die Reinen abgeleitet, der schliesslich in der katholischen Inquisition zum Wort Ketzer mutierte.
Die Katharer glaubten an die Befreiung der Seelen aus der Materie und deren Entwicklung und Transformation hin zum Göttlichen. Auch Frauen durften bei ihnen Priester werden. Ein wesentlicher Aspekt war für sie Selbstverantwortung und die Freiwilligkeit, ein gutes Leben zu leben. Nur das würde letztlich zur Befreiung führen, nicht allein die Zugehörigkeit zu einer Kirche. Offiziell war es eine Lehre der Existenz zweier Welten, einer hellen und einer dunklen. Meinten sie damit eine physische und metaphysische Welt? Umfasste ihr Wissen auch, wie sie besondere Erdströme und Drachenlinien erspüren und für ihre Zwecke nutzbar machen konnten?

Foto: Ingeborg Lüdeling
Wolkenschloss Quéribus
Im Sommer 2007 fuhren wir mit einer Gruppe von Menschen, die das Erfühlen geomantischer Orte erlernen oder vertiefen wollten, ins Katharerland Okzitanien. Das Wolkenschloss Quéribus erreichten wir über eine sich lang dahinwindende, schmale Strasse. Links der steile Berg, rechts der ebenso steile Abhang. Majestätisch und erhaben thront die Burgruine in den Wolken. Bei unserem ersten Besuch tobten und spielten dort die Windgeister und die Sturmwesen heulten in fast verständlichen Worten.
Blickt man von der Burg in das dünn besiedelte Umland, öffnet sich die Landschaft wie ein Buch der Natur. Graue, grüne und gelbockerfarbene Schlangen winden sich durch die Täler und an den Bergen entlang: Es sind Wege und Strassen. Hier kann man auch schon die erste Drachenlinie sehen.
Wir führten unsere Mitreisenden zu einer ganz bestimmten Stelle im Westen der Burg. Dort erkennt man relativ gut eine sich über die Höhenkämme auf die Burg zuschlängelnde Drachenlinie. Dieser Begriff nimmt Bezug auf die geomantische Vorstellung der alten Chinesen, für die Berge Drachen verkörperten. Ihre Kraft wuchs, je mehr Berggipfel sich hinter dem Höhenzug auftürmten. Die ganze Energie der dahinterliegenden Drachenberge entfaltete sich nach chinesischer Vorstellung an einem Kraftpunkt, Xue-Punkt. Ob wir dieses Phänomen hier geomantisch erspüren und radiästhetisch finden würden?
Der Turm der Burgruine ist gut erhalten. In einem ihrer Räume erstaunte uns eine dicke, hohe, runde Säule. Sie beginnt unten mit einem mächtigen Sockel und strebt wie ein Baum mit Krone nach oben, um in einem Gewölbe zu enden. Unsere Gruppe konnte hier die Sirius-Sternen-Energie und die Planetenlinien Mond und Sonne muten und fühlen. Wir tasteten uns die dunkle Wendeltreppe zur Plattform des Turms hinauf. Graue Wolkenfetzen jagten über den Himmel, fast konnten wir sie mit unseren Händen greifen. Hier luden wir zu dem besagten Energiekreis ein und das Vibrieren begann.
Nach dem Zurückkommen spürten wir eine sanfte Wärme auf dem Gesicht. Die Sonne hatte mit ihren goldenen Strahlen die Nebelschleier aufgerissen und verscheucht. War das gar nicht die Sonne, sondern die goldene Energie der Drachenlinie? Die Säule symbolisierte und unterstützte das Aufsteigen der Drachenkraft.
Es war keine Überraschung, dass es auch europäische Drachen gibt, wie auch unsere Märchen und Sagen berichten. Warum wurden Drachen oft als böse beschrieben und Drachentöter zur Rettung geholt? Während unserer Untersuchungen stellte sich heraus, dass das nicht haltbar ist. Es gibt viele Geschichten von Drachen die Schätze oder Plätze hüten.
Jedenfalls war der französische Drache aus Quéribus begeistert über unsere Aufmerksamkeit, liess sich willig erspüren und erforschen. Seine energetische Qualität kann mit dem H3-Einstellwert 14,4 CR aufsteigender Drache ermittelt werden. Dieser Wert steht auch für unerschütterliche Zuversicht, Sonne astronomisch, Verfolgungswahn, Bach-Notfalltropfen und Solarplexus-Chakra. Zu spüren ist die Drachenenergie auf der Burg und unterhalb im Gelände als pulsierende, warme, sehr lebendige Energie, zuerst unter den Fusssohlen, dann höher steigend wie ein schützender Mantel. Des Weiteren sind die Drachen auf den Bergen bis runter in die Täler mit blossem Auge zu sehen. An diesem Ort ist der Drache eindeutig der Hüter der Burg. Er kann den Menschen zu kosmischer Anbindung verhelfen.
Der Einstellwert 27,3 CR findet sich, wenn eine Anbindung an das kosmische Bewusstsein gegeben ist, wie in einem Labyrinth als Einweihungsstätte.

Foto und Grafik: Ingeborg Lüdeling
Einen Schatz finden
Nach der Reise wissen wir: Die Wurzeln der Katharer sind auch unsere Wurzeln. Ihre Schätze haben in uns zu schwingen begonnen. Durch das Erspüren der Erde, durch Meditation, Trancereisen, Geomantie, Psychometrie¹ und Hieromantie² – das Erspüren des Heiligen – durch das Ermessen mit unseren physischen und metaphysischen Antennen konnte unsere Reisegruppe zu tiefen Einsichten und altem Wissen gelangen. Erstaunlich, wie mühelos uns die Schwingungen des Orts mit den Schwingungen unseres Bewusstseins in Resonanz gehen liessen. Selbst ein Drachenritt – Wie ist das nach so vielen Jahrhunderten möglich?
Haben geomantische Orte ein morphisches Feld, ein gestaltbildendes Ortsgedächtnis? Wie wirkt es auf uns? Wie wirklich sind die Erinnerungen dieses Ortsgedächtnisses, wenn es nicht nur Bilder in uns heutigen Menschen erzeugt sondern auch wahrnehmbare Erlebnisse?
Wie viele Wirklichkeiten gibt es? Nachdem wir seit zwei Wochen wieder zu Hause waren, besuchte uns ein weitläufiger Bekannter, der von meinen Erlebnissen in Frankreich nichts wusste. Er überreichte mir einen schönen, glatt polierten Stab aus Süntelbuchenholz, im Volksmund auch Drachenbaum genannt, mit drei eingearbeiteten Halbedelsteinen und sagte: «Ich soll Ihnen einen Stab aus Drachenholz nach Anweisung meines Geistführers anfertigen und bringen. Er betonte ausdrücklich, Ihnen zu sagen. Dies sei ein Stab nur für Drachenreiterinnen.»
Anmerkungen
1 Psychometrie – psychologisches Messen
2 Hieromantie – Das Heilige in den Dingen sehen
Praxis-Tipp von Ingeborg Lüdeling
Drachenlinien soll man nicht stören und nicht bebauen. Siehe die berühmten Hochhäuser in Hongkong mit den Drachentoren. Diese grossen Löcher in den Häusern wurden für Drachen offen gelassen, damit er durch das Haus fliegen kann.
Wir vermuten, dass die Katarer auf der Burg Quéribus die Drachenlinie für ihre dort ausgeübten besonderen Rituale genutzt haben. Das kann vor Ort empfunden werden.
Autorin
Ingeborg Lüdeling
D-32839 Steinheim
il@argo2012.de
argo2012.de
Bewusstseinserweiternde Forschung, Radiästhetin, Seminar- und Reiseleitungen, Geomantin, Heilerin, Schamanin, Autorin.
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