Genius loci – Atmosphäre des Ortes

Genius Loci Geist des Ortes Radiästhesie Geomantie
Atmosphäre des Ortes: Die Phänomene treten in eine wechselseitige Beziehung zum Ort. Foto: zukunftsinstitut.de

Der Geist des Ortes, so die Übersetzung des lateinischen Begriffs Genius loci, hat seinen begrifflichen Ursprung in der römischen Antike. Die Menschen waren in früheren Zeiten von guten Beziehungen zur Landschaft und den Standorten abhängig. Die Vorstellung des Göttlichen manifestierte sich in der Naturerfahrung des Menschen.¹ Der damalige Mensch hatte noch kein derart klares Ich-Bild und sich von seiner ihn umgebenden Umwelt noch nicht so weit gelöst, wie wir es heute tun.

Mit der Industrialisierung begann der wohl grösste Bruch mit dem ursprünglichen Verständnis des Genius loci. 

Der Mensch wendete sich in dem Moment vom Genius loci ab, als er seine eigene Individuation zu leben begann. Er musste sich vom Kontakt zu den äusseren Kräften lösen und die innere Offenheit zu ihn umgebenden Geistern beenden, um sich selbst und seinen Umraum ganz einnehmen zu können. Für den aufklärerisch denkenden Menschen waren Natur und Landschaft unbelebt und ein Genius loci zwangsläufig sinnlos.

Im 18./19. Jahrhundert rückte anstelle des Genius der Mensch selber. Der Begriff Genie stand von da an für die Übertragung der Idee des Genius auf den individuellen Menschen als göttlichen Erzeuger. Eine Person mit überragender schöpferischer Geisteskraft, ein genialer Wissenschaftler, ein genialer Künstler. 

Wenn wir heute vom Genius loci sprechen, meint es oft etwas Vages. Etwas, das irgendwie Stimmung, Atmosphäre und Geschichte des Ortes zusammenfasst. Bei den Architekten und Stadtplaner*innen stehen die ästhetischen Gesetzmässigkeiten im Umgang mit dem Genius im Vordergrund. Aus Sicht der Geomantie muss das präzisiert werden.

Genius Loci Radiästhesie Geist des Ortes
Fresko in Pompeji: In den Häusern wurden Schlangen gehalten, die als Verkörperung von Genien des Ortes galten und ihre Bewohner schützten. Foto: Archäologisches Nationalmuseum Neapel

Erzeugende Kraft

Genius lässt sich vom lateinischen genreerzeugen, ableiten und bedeutet in diesem Zusammenhang soviel wie erzeugende Kraft.

Loci ist lateinisch, Genitiv Singular von locusOrt und bedeutet des Ortes.

Der Ort 

Was verstehen wir unter dem Wort Ort? Im etymologischen Ursprung bedeutet es: Spitze, Ecke

Der Ort ist ein bestimmtes, lokalisierbares Gebiet und eine Lage im Raum. Ein bestimmter Raum im Sinne von Abgrenzung zum Übrigen.

Dementsprechend sind ein Fluss, ein Wald oder eine Landschaft keine Orte, ausser man meint einen bestimmten, abgegrenzten Teil davon.

Hans-Jörg Müller – Der Genius lebt im begrenzten Raum

Der 2019 verstorbene Geomant und bildende Künstler Hans-Jörg Müller hat sich mit diesem Thema befasst: «Schon bei Griechen und Römern ist es immer ein klar definierter, bisweilen umfriedeter Raum, in dem der Genius weilt. Quelle, Fels, Berg, Skulptur, Haus, Tempel und Stadt sind solche klar abgegrenzten, von der Umgebung auf eine bestimmte Weise immer differenzierte Räume. Es handelt sich um Organe des lebendigen Raumes, um in sich geschlossene Einheiten.

Der Genius, wie letzlich jedes Lebewesen, sucht sich den Raum, dessen Atmosphäre ihm entspricht. Als immaterielles Wesen kann er gar nicht in einem Raum existieren, der ihm nicht – im ursprünglichen Sinne des Wortes – sympathisch² ist. Äussere Eingriffe in die Atmosphäre eines Ortes betreffen den Genius wesentlich, können ihn gar austreiben. Nur wenn er fest an einem Punkt verankert ist, kann er sich, je nach augenblicklicher Situation, zurückziehen oder präsent machen.

Eigentlich ist der Genius eine nicht räumlich fixierte Intention. Ihm ist aber ein Kräftefeld beigegeben, durch welches er Raum gewinnt und sich an den Lebenskräftehaushalt der Natur ankoppeln kann.»³

Daniel Perret: Aspekte zum Genius loci

Nach dem Geomanten Daniel Perret zwingen uns die Überlegungen zum Genius Loci einige Detailaspekte auseinanderzuhalten:

1 Die geistig-spirituelle Struktur 

Heilige Orte erster und zweiter Ordnung⁴ wurden von Thronenengeln vor Millionen Jahren als potentiell hochwertige Energieorte geschaffen. Dieser Anteil kann zum Geist des Ortes gezählt werden. Einige der Orte haben eine äusserst reiche, energetische Struktur, unabhängig vom Tun der Menschen. 2020 fanden an diesen Orten wiederholt Versammlungen von Geistwesen aller Art⁵ statt. Jedes Wesen besetzt dort sein magisches Quadrat.⁶ Diese Quadrate waren im Gras sichtbar. Allerdings waren sie nur während den Versammlungen mit einem Wesen besetzt, beispielsweise am Morgen vom Ostersonntag 2020.

Geomantie Alesia Radiästhesie
Feld bei Alaise-Éternoz im Süden von Besançon, Frankreich: Versammlungen von Geistwesen aller Art auf über fünfhundert Quadraten. Foto: Daniel Perret
Geomantie Alesia Radiästhesie
Dasselbe Feld bei Alaise-Éternoz. Foto und Grafik: Daniel Perret

2 Ätherisch-tellurisch

Gitternetze, Verwerfungen, Wasseradern gehören zu den allgemeinen Eigenschaften von Orten. Allerdings ist auch dieser ätherisch-tellurische⁷ Anteil aus dem Bewusstsein heraus entstanden. Zum Beispiel durch hohe Engelwesen und durch die Erdgöttin. Erschaffen, in der Regel, lange vor der Existenz der Menschen. Obwohl spirituell-energetischen Ursprungs, gehören sie zu den generellen energetischen Eigenschaften eines jeden Ortes auf Erden. Ihnen sind Elementarwesen zugeordnet wie Undinen zu Wasseradern, Gnome zu Verwerfungen. 

3 Die Gegenwart von Engelwesen 

Jeder Ort ist Teil des Einflussgebietes vom 1 km Radius eines Umgebungsengels und 50 km Radius eines Regionalengels. Diese gehören zur Hierarchie der geographischen Engelwesen. Wie über ihnen der Nationen-, Kontinenten- und Weltengel. In meinem und dem Verständnis von C⁸ gibt es ausser den genannten, keine eigentlichen Landschaftsengel. 

4 Das Ortsgedächtnis 

Die Akasha-Chronik ist, soweit ich das wahrnehme, in der unteren Schicht des Lebensäthers⁹ des Ortes enthalten. Das ist die erste Schicht, gleich über der Erdoberfläche. Sie ist bis zu 18 m dick und enthält alle gespeicherten Sinneseindrücke wie Worte, Bilder, Laute und Veranstaltungen des Ortes. 

In grösseren Kultorten laufen oftmals zahlreiche, kulturbedingte Verbindungslinien zu entfernten, heiligen Orten zusammen. Diese beruhen auf der geistigen Aktivität von Menschen, die diesen Ort nutzen oder genutzt haben. Ohne ihr Tun, ihre Kultur wären diese Linien nicht im Ortsgedächtnis enthalten. 

Obwohl diese kulturbedingten Verbindungslinien ebenfalls Energielinien sind, die im Äthergedächtnis des Ortes enthalten sind, gehören sie zum geistigen und nicht zum ätherisch-tellurischen Anteil des Ortes. 

5 Egregor des Ortes 

Das sind die gespeicherten Emotionen und Denkstrukturen, die von Menschen am Ort abgeladen wurden. Sie sind entweder negativen Ursprungs, im Sinne von schmerzlichen Emotionen und Ego-Denkstrukturen, oder positiv, im Sinne von feineren Gefühlen und Empfindungen, wie auch geistigen, nicht egobasierten Denkstrukturen.

Etwa in einer Kirche kann die vordere Hälfte des Raumes negativ geladen sein, wenn der Ort vorwiegend als Klagemauer Verwendung findet, wie für Beerdigungen oder verzweifelte Gebete. Davon bleibt die hintere Hälfte des Raumes eher verschont. Der Übergang kann graduell sein, zunehmend negativ gegen vorne hin. Wird eine Kirche oft für Taufen, Heirat und Konzerte gebraucht, wächst der positive Egregoranteil. 

6 Die topographische Lage 

Die Geographie trägt zur Atmosphäre des Ortes Aspekte bei, wie Aussicht, Flora, Mikroklima, Tal oder Bergspitze, akustische Eindrücke, Düfte.

Mattstetten Geomantie Bern
Mattstetten bei Bern: Installation *Grasballenkreis* von Urs Schenkel. Foto: Urs Schenkel

Gregor Arzt: Engel als Aspekt des Genius loci 

Dr. Gregor Arzt: Der Engel des Ortes hat die Aufgabe, unser höheres Selbst daran zu erinnern, dass wir uns vorgenommen haben, Orte schöpfend zu erhöhen und gemeinsam mit uns einst zur Vollendung zu bringen. Diese Erkenntnis reifte in mir zunächst bei einer geomantischen Arbeit im Zürcher Oberland. An einem steilen Abhang des Allmen, nicht weit vom Bachtel¹⁰. Der Landschaftsengel des Zürcher Oberlandes befand sich in einem bemitleidenswerten Zustand: wie ohne Gleichgewicht, stetig abstürzend, sich nicht mehr halten könnend. Der Engel erläuterte den Grund für seinen Zustand folgendermassen: 

«Ich stehe hier und suche nach Bundesgenossen

Die noch wissen

Warum wir uns hier einst verabredet haben

Um gemeinsam die heilige Landschaft

Zu gestalten»

Es ging wohl um die bewusstlose Art und Weise, wie die Bewohner heute mit der ihm und ihnen anvertrauten Landschaft des Zürcher Oberlandes umgehen. Zersiedelung, Rückzug in schmucke Eigenheime und grosse Autos, Verlust des Kontaktes mit der Erde. Der Landschaftsengel sagte:

«Mit der unendlichen Liebe, mit Sanftmut und Zärtlichkeit

Gottes streiche ich wie ein lauer Wind

Über die Landschaft.

Unablässig fliessen meine Tränen.

Selten plant ein Mensch mit mir

Gemeinsame Projekte.

Geschähe es öfter,

Würden meine Augen

Nicht mehr leerweinen.

Meine Augäpfel füllten sich

Mit dem Wasser der Seen.

Die Seele der Seen

Erwachte in den Tiefen.

Zwischen Bergen und Seen

Wäre Seelenland.

Wo immer Ihr Menschen

Es wollt

Fängt es an.»

Marko Pogačnik: Anima loci – Seele des Ortes

Der slowenische Bildhauer, Land-Art-Künstler und Geomant Marko Pogačnik spricht von der Seele des Ortes als komplementären Begriff zum Genius loci: «Wenn wir eine Landschaft oder Stadt erkunden, können wir die Allgegenwart der Erdseele ganz konkret als Seele eines Ortes erkennen. In manchen Sprachen gibt es Ausdrücke für einen am Ort wirkenden Engel, aber die Gegenwart eines Engels ist im geomantischen Sinne etwas anderes. Andere nennen diese seelische Gegenwart der Erde den Geist des Ortes. Die Tradition des alten römischen Glaubens an einen spirituellen Hüter von Orten und Wohnungen kennt den Genius loci. Meiner Erfahrung nach handelt es sich bei den Ortsgeistern jedoch um Elementarwesen (Umweltgeister), die Verantwortung für die ätherische Dimension eines Ortes übernommen haben. Um die weibliche (wässrige, allumfassende, mütterliche) Qualität der Erdseele, individualisiert als Seelen-Fraktal eines spezifischen Ortes oder einer Landschaft, zu betonen, verwende ich einen zum Begriff des Genius loci komplementären Ausdruck: Anima loci, die Seele des Ortes.

Man kann weitere Alternativen in Erwägung ziehen: Manchmal erfahre ich die Seele eines Ortes als Göttin des Ortes. Diese Ausdrucksweise unterstreicht die heiligen Dimensionen der Seele der Landschaft und der Natur und erinnert in aller Deutlichkeit daran, dass wir es bei der Kontaktaufnahme mit der Ortsseele nicht mit einer isolierten Seelenessenz zu tun haben, sondern mit einem holografischen Teilchen der allumfassenden Erdseele, der Göttin Gea.

Die Gegenwart der Anima loci kann man auf verschiedene Weise entdecken und erfahren: Ein Traum oder eine ungewöhnliche Verkettung von Ereignissen beim Besuch des Ortes kann die Seele des Orts offenbaren. Anima loci, die Seele des Ortes, kann durch Resonanz in den Körper eines Menschen, der einen Ort erforscht, eintreten, so dass Entsprechungen zwischen der zu erforschenden Landschaft und dem Körpergefühl des Menschen fühlbar werden.

In der ätherischen Struktur gibt es in der Regel mehrere Stationen oder Punkte, durch die die Anima loci ihren Einfluss auf die Evolution des Ortes ausübt. Diese Plätze sind von besonderer Bedeutung, sie können Schlüsselsymbole des Ortes sein und als allgemeine Akupunkturpunkte fungieren, von denen aus man alle Ausdehnungen und Dimensionen des Ortes erreichen kann.»¹¹

Aktuelle Anwendungsbereiche

Zurück zum Geomanten Hans-Jörg Müller. Für ihn gibt es klare Gründe, die den Anlass der Geomantie ausmachen, sich mit dem Genien-Komplex zu beschäftigen: «Den lebendigen Kosmos wiederentdecken lernen: Im Zuge der Renaissance der Spiritualität kann ein angemessener Umgang mit Naturwesen, Bergwesen und Wesen eines Ortes vermittelt werden.

Die Belange der Natur wahrnehmen lernen: Ortsgenien und Landschaftsgenien sind als bewusstseinsmässige Fokuspunkte der Natur gewissermassen unsere Ansprechpartner.

Unterstützung von Regenerationsprozessen der Natur: Wiederbelebung von Brachlandschaften durch das Re-Importieren von Genien und Naturwesen, die ihrer Aufgabenbereiche beraubt waren, damit die Eigenorganisationskräfte der Natur neu belebt werden.

Das Unterstützen von Genien selbst, welche sich nicht selten in einem Zustand der Desorientierung und Nutzlosigkeit befinden.

Planungen mit dem Ortsprinzip abstimmen: Integration von genealogischer Geomantie in konventionelle Planungsbereiche.

Interpretation von Genienwirkungen in historischen Städten, Parkanlagen oder Gebäuden: Hausfassaden mit skulpturalem Schmuck, zum Beispiel aus dem 19. Jahrhundert, behalten ihre Wirkung. Der geistige Einfluss auf das Gebäude und seine Bewohner kann präzise abgelesen werden.

Integration von Wirkungsweisen der Genien in Alltagsbereiche: Wenn der Geist da ist, wenn Sinn, Identität und Authentizität erreicht werden, ist die Kraft da. Identität als Idee lebendiger Ganzheit. 

In der Unternehmensberatung kann beispielsweise die Firmenidentität als lebensbestimmtes, selbstorganisierendes Wesen verstanden werden, woraus ein multidimensionaler Ansatz erwächst: Das Bauwerk ist als Körper des Unternehmensgeistes deutbar, aus einer geomantischen Logo-Deutung, einem Psychogramm des Gebäudes, können Rückschlüsse auf unbewusste Intentionen des Unternehmens getroffen werden. Hier liegt ein ernstzunehmendes Feld für die Geomantie und zwar Unternehmen in ihren Lebensprozessen ganzheitlich zu unterstützen.»

Epilog

Moderne Spiritualität boomt. Wir können heute die Chance ergreifen und eine zeitgemässe Interpretation und Zusammenarbeit mit der geistigen und seelischen Ebene verfolgen. Das menschliche Bewusstsein dafür wächst stetig und die Atmosphären des Ortes, der Erde und des Kosmos streben nach ganzheitlicher Entwicklung.

Dabei sollten wir uns im Klaren sein, dass der heutige öffentliche Raum aus gutem Grunde keine magische oder esoterisch-vage Vorgehensweise mehr zulässt. Einer einseitigen, verklärten Renaissance des Geister- und Genienglaubens ist ein Riegel vorgeschoben.

Anmerkungen

1 Siehe auch Technische Universität Dresden, Phänomenologie des Ortes TU Dresden – Genius Loci

2 sympathisch – von altgriechisch sympátheia –  Mitgefühl, Zusammenstimmung

3 Aus dem Manuskript von Hans-Jörg Müller Moderne Genialogie, teilweise veröffentlicht in Hagia Chora 6/2000

4 D. Perret Erd-Heilen – eine Kooperation mit den subtilen Kräften der Erde, BoD 2019

5 Naturgeistwesen, Engelwesen der Sphären 1–13, Anmerkung 6 oder vallonperret.create-divine-art

6 Daniel Perret Die 12 Magischen Quadrate als göttliche Siegel – Wahrnehmung und Interpretation subtiler Energie, BoD 2020

7 tellurisch – die Erde betreffend, von ihr stammend

8 C – Collegium von Rocamadour. Siehe Radiästhesie Radionik 2/2018, Energetische Archäologie.

9 Lebensäther – anthrop., der höchste ätherische Zustand. Wirkt gestaltend durch alle Elemente bis in das Erdelement herunter. Prägt dem Organismus das Mineralische ein, kann ihn bis zu mineralisch-festen Formen weiterbilden, wie insbesonders beim Knochensystem.

10 Bachtel – Berg bei Hinwil in der Schweiz, Höhe 1115 M.ü.M.

11 Aus: Das geheime Leben der Erde: Neue Schule der Geomantie Marko Pogačnik, AT Verlag 2008, S. 140/141

Autor

Redaktor Daniel Linder

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