Körper und Seele verbinden
Gerardo Pizarro betont die Wichtigkeit, das Gleichgewicht zwischen Körper, Seele und Geist herzustellen. Die Spiritualität wird in der modernen Zivilisation vergessen. Als Lösungsweg schlägt er vor: Wir Menschen sollen nun die Vernunft ruhen lassen, da sie unser Leben beherrscht. Stattdessen ist Handeln nach den Empfindungen des Herzens weiterführend.
Wir verfügen zudem über die Kraft des Bewusstseins, das uns hilft, Kontakt zur Wirklichkeit und zum Universum aufzunehmen. So können wir uns weiterentwickeln und zu Gleichgewicht und Frieden kommen.
Schamanen in Spitälern
Schamanismus ist mehr als Medizin. Es ist eine Kultur, die in Harmonie mit der Natur, der Geistigen Welt und dem Universum lebt. Pizarro: «Der Schamanismus ist unendlich. In Europa, Amerika, Kanada, China, Indien, Nepal ist der Schamanismus ganz anders. Ein menschlicher Kopf würde nie ausreichen, um alle Techniken und alles Wissen zu vereinen.» So wie ein Arzt nicht auf alles spezialisiert sein kann, ist ein Schamane nicht auf alles spezialisiert. «Wenn sich die traditionelle Medizin, der Schamanismus und die Schulmedizin zusammenschliessen würden, könnten viele Krankheiten geheilt werden.» In einigen Ländern gibt es bereits einige wenige Schamanen, die in Spitälern arbeiten.
Schamanische Ausbildung
RR traf Gerardo Pizarro in Monte Brè Sopra Locarno, hoch über dem Lago Maggiore zum Gespräch und zum nächtlichen Reinigungsritual Mesa.
Gerardo Pizarro: Was erhoffst Du Dir von diesem Gespräch?
RR: Informationen über die Seele.
Gerardo Pizarro: Es gibt Menschen, die sich Schamanen nennen und keine fundierte Ausbildung haben. Menschen, die Tipps geben, heilen oder sagen, sie seien Sehende, aber keine seriöse Ausbildung haben. Ich möchte nicht mit diesen Leuten in Verbindung gebracht werden. Das ist mir wichtig. Ich möchte nicht in einem Magazin erscheinen, das nicht genau unterscheiden kann.
RR: Wie finden wir das heraus?
Gerardo Pizarro: Indem Du klar fragst und ich klare Antworten gebe.
Mein Name ist in Europa sehr bekannt. Seit 1985 arbeite ich hier an Weltkongressen, in Kliniken, Naturzentren und an esoterischen Messen.
RR: Schön. Darf ich ein Foto von Dir machen?
Gerardo Pizarro: Nur wenn es ein gutes Gespräch wird.
RR: Wie hast Du Deinen Weg gefunden?
Gerardo Pizarro: Ich habe alles über die Familie, von den Vorfahren erhalten. Über Generationen wurde das weitergegeben. Mein Vater hiess Gerardo Pizarro Zeña. Die Mutter lebt noch. Sie heisst Andalia Carranza Sánchez. Der Vater und die Mutter sind Schamanen aus Tradition. Sie sind auf der ganzen Welt und in Peru selbst bekannt. Ein Teil meiner schamanischen Ausbildung hat über die Grossmutter, die Mutter und den Vater stattgefunden. Sie haben mich in die Rituale eingeführt. Diese Rituale sind typisch für die Lambayequekultur im Norden von Peru. Genau gesagt, ist es die Kultur der Mochica und Lambayeque. Mein Vater hat mich über Medizinalpflanzen gelehrt. Meine Mutter über die schamanischen Rituale. Beide nutzten unterschiedliche Techniken.
Meine Mutter hat die Schulung von der Grossmutter väterlicherseits erhalten. Mein Vater wurde vom Onkel ausgebildet, aber auch von schamanischen Meistern, die nicht von der Familie waren. Ich habe eine Kombination von Wissen von beiden Seiten, von meinem Vater und meiner Mutter erhalten.
Als ich zwölf war, ging ich in den peruanischen Amazonas und lernte die verschiedenen Stämme kennen. Die Auarunos, die Jaguar, die Boras, die Chiwaros. Alle haben mich andere Rituale gelehrt.
Nachher bin ich in das Gebirge der Anden gegangen, zu den Schamanen der Urus, ganz oben am Titicacasee.
Dann ging ich in den Norden, in das Gebiet von Lambayeque und habe die Rituale des Nordens gelernt. Zum Beispiel mit dem Mesa Tisch, wie ich es immer noch praktiziere. Sie haben mich gelehrt, wie ich das alles zusammenbringen kann, was ich von der Mutter, vom Vater, dem Onkel des Vaters, den Meistern, die nicht aus der Familie stammen und bei denen ich als 12 bis 14-Jähriger gelernt habe.
Danach blieb ich mehrere Jahre in der Region von Lima und habe da als Bäcker gearbeitet. Wir sind alle Bäcker.
Reinigung mit fleischfressender Pflanze
Im Norden von Peru habe ich den letzten Schliff bekommen. Die Stämme im Amazonas haben mich gelehrt, die fleischfressende Drachenpflanze für meine Rituale zu brauchen. Die fleischfressende Pflanze ist sehr stark. Jetzt schläft sie. Hör gut zu. Sie schläft. Wenn sie schläft, ist sie umso stärker. Sie kann das Herz zum Stillstand bringen. Nimmt davon aus einem Beutel und lässt mich das Pulver durch die Nase einatmen. … Husten. Diese Pflanze kann auch Krebs heilen. Sie ist fleischfressend. Man darf sie nicht erwärmen. Man muss sie roh einnehmen. Wenn man sie kocht, tötet man den Geist der Pflanze. Das ist das Pulver aus dieser Pflanze. Es heisst Sieben Männer. Es reinigt alle emotionalen Probleme. Hält mir das Pulver unter die Nase und lässt einatmen. … Husten. Das Inhalieren durch die Nase reinigt den Solarplexus. Die Pflanze wird in Deinen Körper reingehen. Beim Niesen kommen die Emotionen raus. Wenn man die fleischfressende Pflanze isst, nimmt sie alles Schlechte aus dem ganzen Organismus. Sie saugt das auf wie ein Schwamm. Wenn sie alles aufgesaugt hat, muss man erbrechen, das heisst der Schwamm kommt raus.
Seelenpflege
RR: Wie können wir die Seele pflegen?
Gerardo Pizarro: Um die Seele zu pflegen, müssen wir wissen, in welchem Teil des Körpers die Seele wohnt. Es ist wichtig zu wissen, dass es Blockaden geben kann, die die Seele vom Körper trennen. Wenn wir solche Blockaden haben, ist die Seele nicht mit dem Körper verbunden.
Wenn wir wissen, wo die Blockade ist, muss man den Körper wieder mit der Seele in Verbindung bringen, sonst kann man nicht anfangen, die Seele zu pflegen. Das ist, wie wenn man einen Knochen heilen will, der noch nicht am richtigen Ort sitzt, dann wächst der nicht zusammen. Wenn die Verbindung da ist, kann man anfangen mit Meditation, mit Ritualen, mit Ernährung, mit Pflanzen die Seele zu pflegen.
RR: Wie können wir Körper und Seele verbinden und die Seele pflegen?
Gerardo Pizarro: Zum Beispiel mit dem Mesa Ritual, das wir nachher machen.
Man muss sich vor allem vor negativen Energien anderer Menschen schützen. Neid, Missgunst, Hass, böse Gedanken. Man soll Leute meiden, die negativ gegen einen eingestellt sind. Das sind kleine Pfeile, die sich zwischen Seele und Körper schiessen, so dass sie sich trennen.
RR: Ist es für Menschen gesünder, auf dem Land als in Städten zu leben?
Gerardo Pizarro: Auf dem Land ist ein besseres energetisches, physisches Niveau zum Leben. Aber man kann auch in der Stadt gut leben. Es kommt darauf an, ob man weiss, wie man sich schützen kann.
RR: Wie gehst Du bei einer chronischen Krankheit vor?
Gerardo Pizarro: Bei einer chronischen Krankheit kommt es darauf an woher das Problem kommt. Ob es karmisch ist, von den Vorfahren kommt, ein emotionales oder mentales Problem ist. Wenn das Problem verortet ist, kann man entscheiden ob es mit Ritualen oder in Kombination mit Pflanzen oder moderner Medizin geheilt werden kann.
Ein Problem, das man selber kreiert hat, ist schnell gelöst. Wenn es karmisch ist oder von Vorfahren kommt, dauert es länger. Was man selbst kreiert hat, ist äusserlich, nicht so tief drin. Wenn es karmisch oder vererbt ist, ist es tiefer im Blut und in den Zellen verankert.
Mesa Reinigungsritual
Für alle schamanischen Kulturen ist die Reinigung etwas vom Wichtigsten und eine Voraussetzung, um gesund zu bleiben und seinem Leben einen schönen, erfüllten Inhalt zu geben.
Gerardo Pizarro legt Gegenstände aus heiligen Bäumen, Steine, Kräuter und rituelle Instrumente aus. Er zelebriert die nächtliche Mesa. Das Ritual gründet auf der dreitausendjährigen peruanischen Schamanentradition. Es wird für Gruppen bis fünfzig Personen oder als Einzelritual eingesetzt.
Der ganze Körper der Teilnehmenden wird mit Vulkansteinen eingerieben. Pizarro erspürt negative Energien. Mit zwei Holzstäben fährt er über die Teilnehmenden und schlägt vereinzelt auf deren Körper. Durch die Schläge entlädt sich ein blitzartiges Leuchten. Diese Blitze können etwa Ängste, Blockaden, Fremdenergien und Traumata sein. Jeder Teilnehmer wird einzeln behandelt und gereinigt. Eine Stunde später plötzlich der Brechreiz. Der Schwamm findet den Weg nach draussen, ein befreiendes Gefühl.
Danke für das Gespräch und Dank an die Spanisch Dolmetscherin Regula Züger.
Redaktor Daniel Linder
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