Wir brauchen eine neue Zivilisation
Interview mit Marko Pogačnik
RR: Die Künstlerin Mary Bauermeister verstarb am 03. März 2023. Sie hat Dich in den 80er Jahren nach Deutschland eingeladen und damit Deinen Weg im deutschsprachigen Raum geebnet. Sie selbst hielt in ihrem Garten die ersten Geomantieseminare in Deutschland ab. Wie hast Du diese ersten Begebenheiten in Erinnerung?
Marko Pogačnik: Das war für mich eine sehr wichtige Zeitspanne. Anfang der 80er Jahre habe ich mit der Akupunktur der Erde zu experimentieren angefangen. Zuerst mit Eisenstangen, dann mit Steinsetzungen. Ich hatte keine Möglichkeit, es in Form eines Projektes durchzuführen. Mary Bauermeister hat uns mit Familie nach Deutschland eingeladen. Dort habe ich ihr einige Fotos meiner Werke gezeigt. Sie war begeistert und hat gesagt, ich solle mit ihr eine Familie in der Nähe von Düren, zwischen Köln und Aachen, besuchen. Die seien Kunstsammler und vielleicht an meiner Arbeit interessiert. So entstand mein erstes Werk im Hürtgenwald. Ich habe erst später erfahren, dass der Wald wegen einer schlimmen Schlacht im Zweiten Weltkrieg Berühmtheit erlangt hat.
Zu der Familie habe ich gesagt: Ja, ich bin interessiert, ein Kunstwerk zu schaffen, aber nur in Beziehung zu der Landschaft. Darf ich mich umschauen, ob da was zu tun ist? Ich ging in diesen Wald und bekam einen Herzkrampf. Zurück bei der Familie erfuhr ich, dass dort diese Schlacht stattgefunden hat, bei der die Amerikaner neun Mal den Ort besetzt hatten und sie immer wieder weichen mussten. Dort habe ich mein erstes Projekt umgesetzt, um Frieden in diesen Wald zu bringen. Im nächsten Jahr bin ich mit meiner Frau wiedergekommen. Wir haben einige Steinstelen behauen und an bestimmte Punkte in diesen Wald gesetzt, worauf Mary Bauermeister einen Freund mitbrachte. Graf Hoensbroech, einen Radiästheten. Er ist in den Wald gegangen und sagte anschliessend: «Da herrscht vollkommene Ruhe. Möchten Sie bitte nach Türnich kommen, ich brauche dort Hilfe.» Das zweite Projekt, ebenfalls eingeleitet von Mary, im Park von Schloss Türnich bei Köln, in der Nähe von Braunkohlegruben. Die Gruben waren zugeschüttet, aber die Maschinen liefen noch, um Wasser rauszuholen. Die wunderbaren Bäume im Park aus dem 18. und 19. Jahrhundert standen im Trockenen und fielen um. Ich habe vorgeschlagen, ein Lithopunktur-Projekt zu machen. Über einige Jahre bin ich mit meiner Frau hingefahren und haben jedes Jahr vier bis fünf Stelen gemeisselt. In drei Jahren war das Projekt abgeschlossen. Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet und es wurde nachgewiesen, dass der Park sich erholt hat und die Bäume gut stehen. Das gilt bis heute.
Ulf, der Sohn des berühmten Diederichs, der I Ging – Das Buch der Wandlungen herausgab, hatte einen Vortrag von mir zum Park Türnich gehört. Er ist zu mir gekommen und meinte: «Ich möchte mit Ihnen ein Buch machen. Aber wer wird es aus dem Slowenischen übersetzen?» Da habe ich zu ihm gesagt, dass ich es in Deutsch schreiben werde. Das Buch heisst Die Erde heilen – Das Modell Türnich.
RR: Karlheinz Stockhausen war der Mann von Mary Bauermeister und einer der bedeutendsten deutschen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Hast Du mit ihm zu tun gehabt?
Marko Pogačnik: Ich habe Karlheinz einige Male getroffen. Mary Bauermeister war sehr unglücklich, weil er keine Beziehung zu den geistigen Themen hatte. Also hat sie versucht, ihn durch mich für diese Themen zu gewinnen und schickte mich nach Rom, wo er ein Werk mit der Philharmonie vorbereitete. Ich sollte mit ihm sprechen und ihn dafür gewinnen. Aber er hat sich gar nicht interessiert. Mary ist auch dazugekommen, aber es war nicht möglich. Er war ein Individualist und ging seinen eigenen Weg. Ich glaube, sie hat ihn nie für die geistigen Themen gewinnen können.
RR: Sie waren 6 Jahre verheiratet. Die Neue Musik wurde zu der Zeit nach strengen Regeln seriell konstruiert. Kopflastig.
Zu Mary Bauermeister gibt es eine Legende aus der Zeit, in der sie Geomantieseminare gegeben hat. Sie habe in Frankreich eine Krafthöhle gefunden. Zurück in Deutschland wurde ein Seminar ausgeschrieben. Bauermeister hat sich mit der Seminargruppe auf den Weg gemacht und in Frankreich die Höhle gesucht. Eine Woche lang, ohne sie zu finden. Gemäss einer Teilnehmerin soll dieses Seminar sehr gut gewesen sein. Hast Du ein Seminar von ihr miterlebt?
Marko Pogačnik: Mary besuchte unseren ersten Hagia Chora-Kurs Anfang der 90er Jahre. Sie hatte da noch kein Wissen über Geomantie. Als Künstlerin hat sie sich sehr gut darin zurechtgefunden. Sie hat mich mitgenommen nach Teneriffa und Südfrankreich und durch das gemeinsame Reisen von mir gelernt. Sie hat immer zugeschaut und zugespürt. Letztendlich ist sie zur Dozentin von Hagia Chora herangewachsen.
Zwei parallele Welten
RR: Wir behandeln weiträumig das Thema der Seelenpflege. Kannst Du eine Charakterisierung des Begriffs Seele anbieten?
Marko Pogačnik: Ich habe verschiedene Zugänge. Geomantisch zum Beispiel
die Seelenwege. Ich finde, dass bestimmte heilige Orte immer wieder von menschlichen Seelen besucht werden. Sie machen wie eine Art Wallfahrt, um von den Orten, die gewisse wichtige Botschaften haben, zu lernen.
«Seelen lernen an heiligen Orten.»
Marko Pogačnik
So sind bei heiligen Orten oft innere Räume angerichtet, in denen sie sich über längere Zeit aufhalten können, um dort zu lernen und zu meditieren. Die Seelenwege verbinden solche Orte miteinander. Sie sind in die Landschaft wie eine Art Kraftbahn eingeschrieben.
In den letzten Jahren beschäftige ich mich damit, dass sich die Beziehung zwischen Diesseits und Jenseits wesentlich geändert hat. Da herrscht keine hierarchische Ordnung mehr, sondern diese zwei Bereiche sind wie Tag und Nacht: Tagsüber sind wir aktiv und in der Nacht schlafen wir. Diese zwei Bereiche sind eigentlich zwei parallele Welten. In einer leben wir als verkörperte Menschen, in der anderen als Seelenmenschen. Das ist dadurch miteinander verbunden, dass wir uns abwechseln. Wir wechseln von einem in den zweiten Raum. Ich habe das Glück, dass in den letzten zehn Jahren eine von meinen zwei Töchtern im Jenseits und die andere im Diesseits lebt. Sie können miteinander kommunizieren. Das kann als praktisches Beispiel angesehen werden, um die Beziehung zu den Ahnen anders zu bewerten, als nur in zwei Parallelwelten. So haben meine zwei Töchter zusammen das Buch Menschsein im Jetzt geschrieben.
Umgestaltung des mehrdimensionalen Raumes
RR: In welcher Beziehung stehst Du zu den Gletschern?
Marko Pogačnik: Eigentlich geht es hier um Wasser. Wasser hat die Fähigkeit, Erinnerung zu speichern. Was bei den Gletschern hoch potenziert wird, weil Gletscher kristallisiertes Wasser sind und sie jährlich durch Schneefall wachsen. So wird in ihnen die Raum- und Zeitqualität verschiedener Epochen gespeichert. Ich habe das beim Grossglocknergletscher erlebt. Es gibt da Markierungen, bis wo der Gletscher vor 100 Jahren, vor 50 Jahren und die Jahre dazwischen existierte. Als ich diesen Weg nach unten, Richtung Gletscher von heute, gegangen bin, konnte ich verschiedene Zeit- und Raumqualitäten wahrnehmen. Und zwar so, wie der Gletscher abgenommen und diese Erinnerung hinterlassen hat. Ich sehe die Gletscher als ein wichtiges Erinnerungsinstrument, das leider ausstirbt. Wir müssen lernen, diese Erinnerung aus der Pflanzenwelt, aus dem fliessenden Wasser oder aus der Kristallwelt zurückzugewinnen.
RR: Macht es Sinn, sich mit den Gletschern zu beschäftigen?
Marko Pogačnik: Die Gletscher gehören in eine andere Zeit, in der sie als Werkzeuge von Gaia gewirkt und unsere Landschaft gestaltet haben. Diese Zeit ist längst vergangen. So vergehen vielleicht auch die Gletscher. Die Gletscher waren wichtig in der Epoche, als die jetzige Landschaft geformt wurde. Sie waren Werkzeuge Gaias, um die jetzige Landschaft zu formen und dadurch eine neue Epoche in der Entwicklung der Erde zu ermöglichen. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Gletscher, die es noch gibt, sind eigentlich Relikte dieser alten Epoche. Jetzt steht uns bevor, mit Gaia anstelle der Gletscher bei der Umgestaltung des Planeten mitzuwirken. Wir sind in einer Epoche angekommen, wo Gaia sich entschieden hat, den Planeten in einen mehrdimensionalen umzugestalten. Die Erde war schon immer ein mehrdimensionaler Planet. Jetzt geht es darum, diese Ebene zu verkörpern und dass sie im Körper manifestiert wird. Dabei ist die Rolle der menschlichen Imagination für mich die Entsprechung zu der Rolle der Gletscher von damals. Es braucht, dass die neuen Landschaften der Erde so umgestalt werden, dass auch andere Ebenen, die jetzt unsichtbar oder aus der Realität ausgeschlossen sind, ihre Entsprechung in der verkörperten Welt finden. Da können wir Menschen so wie damals die Gletscher wirken, weil wir die Fähigkeit haben, durch Imagination die Schöpfungsprozesse in Bewegung zu bringen und in bestimmte Richtungen zu leiten. Natürlich in Kommunikation mit den sogenannten parallelen Welten. Lacht. Das habe ich so noch nie gedacht!
Wir sind verblüfft, wie heilige Plätze gestaltet wurden. Dort, wo Gletscher alles wegnahmen, aber einen bestimmten Felsen oder Berg gelassen haben, weil zum Beispiel ein heiliger Berg und wichtig für die Landschaft als ein sakraler Ort. Dieses Wissen ist gespeichert in den Gletschern und wir können davon für unsere zukünftige Rolle lernen, die eigentlich schon jetzt gefragt wird: Wie kommt es zu dieser Umgestaltung der Landschaften der Erde? Ohne dass Zerstörung angestiftet wird. Positiv gesehen, dass die Umgestaltung des mehrdimensionalen Raumes in Harmonie mit dem Gesamtplan von Gaia zustande kommt.
RR: Von Dir wurden Orte und deren feinstoffliche Charakteristik definiert. Wie integrierst Du bei Gruppenarbeiten Wahrnehmungen aus der Gruppe? Kann man Dich als Guru bezeichnen?
Marko Pogačnik: Das Guru-Sein ist sinnlos. Ich arbeite seit 60 Jahren mit verschiedenen Gruppen. Wir haben acht Jahre in Slowenien eine Kommune geführt und ich habe sehr genau gelernt, nicht Guru zu sein. Meine Werkstätten sind eigentlich kollektive Kunstwerke. Das tue ich auch mit Stein und Meisseln, mit verschiedenen internationalen Gruppen. Es ist immer das Gemeinsame. So auch bei einem Seminar, bei dem es mein Ziel ist, dass die Gruppe die Arbeit übernimmt. Das muss während den zwei Tagen geschehen, gewöhnlich so, dass ich immer mehr zurücktrete und die Teilnehmer immer mehr mit eigenen Aussagen beitragen. Das ist bei längeren Seminaren noch viel besser möglich.
Ich hatte eine schwierige Erfahrung mit einem Guru, als wir im damaligen Jugoslawien vollkommen von geistigen Bewegungen abgeschnitten waren und wir in unserer Gemeinschaft oder Kommune in Šempas die Ersten waren, die mit verschiedenen geistigen Bewegungen Kontakt aufnahmen, wie zum Beispiel mit der Findhorn-Gemeinschaft, mit dem Goetheanum und der Anthroposophie. Wir meinten auch einen östlichen Lehrer, eine östliche Bewegung einschliessen zu müssen. So haben wir uns dem 16-jährigen Guru Maharaji angeschlossen. Nachdem wir seine Einweihung erhalten haben, haben wir erlebt, wie wir als Gemeinschaft zunehmend gelähmt wurden. Wir haben uns mit Hilfe von künstlerischer Arbeit davon getrennt. Ich bin gegen Guru-Sein geeicht.
RR: Die Begriffe Geokultur und Gaiakultur wurden vorgeschlagen. Was ist der Mehrwert? Wo liegen die Unterschiede zur Geomantie?
Marko Pogačnik: In einem Moment wurde mir bewusst, dass die Geomantie eigentlich ein Teilaspekt einer zukünftigen Kultur ist und dass wir viele verschiedene Personen und Gruppen sind, die in verschiedene Richtungen Wege suchen. In Richtung einer neuen Kultur oder neuen Zivilisation. Weil die heutige Zivilisation unbrauchbar geworden ist. Ich meine, wir haben aus der Fehlausrichtung dieser Zivilisation gelernt, dass es sinnvoll wäre, eine neue Zivilisation im Dialog mit der Erde und ihren Wesenheiten zu entwickeln. Dieser Planet hat unglaubliche, durch Geomantie erstmals erfahrene Dimensionen, die noch nicht in die Kulturentwicklung eingesetzt sind. So ist die Geomantie ein wichtiger Weg in Richtung neuer Kultur. Aber das ist nicht alles. Es braucht neue Entwicklungen in Ökonomie, Erziehungswesen, Kunst, Technologie und so weiter. Alle diese Bereiche würde ich Geokultur oder Gaiakultur nennen, um zu sagen, das sind alles neu entwickelte Bereiche, die gehören zu der neuen Kultur. Sie ist nicht nur Geomantie, sondern eröffnet ein viel breiteres Gebiet.
RR: Danke für das Gespräch.
Marko Pogačnik
SI-5261 Šempas
marko.pogacnik1@siol.net
markopogacnik.com
Bildhauer, Geomant, Lithopunktur, UNESCO Künstler für den Frieden, Gestalter des
slowenischen Staatswappens.
Redaktor Daniel Linder
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