Was ist der Impuls von oben?

Universum Schöpfer Radiästhesie
Was verursacht das ganze lebende System *Universum*? Foto: by traumtänzer

Wenn wir die Fragen nach den Lebensvorgängen betrachten, dann scheint es drei Stufen der Erkenntnis zu geben¹:

Die erste Stufe ist die der Schulwissenschaft, der messenden und zerlegenden Wissenschaft, die unbedingt als solche ihre Berechtigung hat.

Die zweite Stufe, mit der sich das Paradigma des 21. Jahrhunderts beschäftigt, ist die Suche nach dem Steuerungssystem des Lebens. Viele echte, engagierte Wissenschaftler haben sich darüber Gedanken gemacht und experimentiert, wurden aber in gemeinsamen Anstrengungen von Schulwissenschaft und Grossindustrie mundtot gemacht. Diese Form der geistigen Unterdrückung geht zwangsläufig ihrem Ende entgegen!

Die dritte Stufe ist die Frage nach dem Steuermann, nach der Wesenheit der Verursachung, nach dem Sinn des ganzen lebenden Systems Universum. Hier wird noch für lange Zeit ein Nichtwissen bleiben, denn wenn wir, wie Ken Wilber meint, erst bei der Halbzeit der Evolution angekommen sind, liegt noch ein weiter, weiter Weg vor uns.²

Aber vielleicht greift ja bei uns das, was in der Biologie als Hundertste-Affen-Effekt bekannt ist. Dieser besagt: wenn irgendwo auf der Welt eine Population einen starken Lernfortschritt gemacht hat, zum Beispiel die Bananenschale mit einem Biss in die obere Bananenschalenkrümmung zu öffnen, wird dieses Wissen dann gleichzeitig auf der ganzen Erde angewandt.

Viele menschliche Erfindungen wurden gleichzeitig an mindestens zwei voneinander unabhängigen Orten in der Welt gemacht. Dies deutet darauf hin, dass dieser Hundertste-Affe-Effekt auch bei unserer Art greifen könnte.

Unterstellen wir dies, müsste dieser Quantensprung des Neuen Denkens, mit dem wir uns ja auch hier befassen, überall dort auf der Erde stattfinden, wo Menschen mit einer Denkstruktur sind, die dieses neue Denken aufnehmen können.

Das hiesse auch, dass die prognostizierte Katastrophe, der Weltuntergang durch technischen Irrsinn, eben nicht stattfindet.

Das hiesse, dass unsere Mutter Erde, dieses wunderbare Lebewesen, tatsächlich zu retten wäre, beziehungsweise dass sie nicht dazu gezwungen wird, ihre Peiniger zu eliminieren.

Viele Menschen erhoffen derzeit in all ihrer Verzweiflung eine Hilfe aus den Weiten des Universums. Die Hilferufe, die hinausgesandt werden, sind mit Sicherheit unüberhörbar. Die Rufer wünschen sich eine Wiederholung der Kommunikation mit den Kindern anderer Sterne, wie es im Alten Testament, besonders in Hesekiel, so eindrucksvoll beschrieben wird.³

Wir dürfen uns aber nicht in Wunschvorstellungen und Hoffnungen verlieren, denn dann werden wir wieder zu dem, was wir sein sollen, nämlich Manipulationsmaterial für die Herrschenden. Und das gilt es nun wirklich zu vermeiden. Stattdessen sollten wir den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen, nämlich den, der uns zum Steuerungssystem des Lebendigen führen kann.

Die Aura des Menschen

Die Geschichte der alten und immer wieder aktuellen Aura ist gleichsam eine Frühgeschichte des Vitalismus⁴, jener westlichen Philosophie, die etwa von 1750 an ein Jahrhundert lang in der Biologie und in der Philosophie weiten Raum einnahm.

Der Begriff gründet sich auf dem lateinischen Wort vitalis, zum Leben gehörend oder lebenskräftig.

Vitalismus ist die Lehre von der eigenen Gesetzlichkeit alles Lebendigen, von einer Lebenskraft, die uns unbekannt ist und die alle lebenden Erscheinungen hervorbringt.

Es ist das Suchen und vielleicht Wissen um die Gestaltungsebene, die Formgebungsebene, die Steuerung, die hinter dem, wie Goethe es benennt, Urphänomen. Es bleibt uns offen, Gott dazu zu sagen.

Diese biologische Formgestaltung, die Formerschaffung, die von Driesch⁵ postulierte und von Sheldrake populär weitergeführte Morphogenese, erklärt die Funktionen des Lebendigen nicht aus chemisch-physikalischen Kräften heraus. Antrieb ist eine eigenständige, noch nicht erforschte Lebenskraft, eine Lebensenergie, die nicht nur unsere Formen erschaffen hat, sie hält diese auch am Leben. Diese Energie ist sozusagen eine Gesetzlichkeit über allen anderen Gesetzen. Sie wird, ausser mit den alten, östlichen Begriffen, auch als Lebensautonomie, als Seelische Kraft, als Entelechie⁶, als Dominante oder als Telelogie⁷ bezeichnet. Es gibt viele Deutungen und viele Namen, die diese Lebensenergie zu erklären versuchen.

Ausser dem Stoffwechsel, der durch das Aufsaugen von Ordnung am Leben erhalten wird, gibt es diese zweite, lebenserhaltende Energie. Sie kommt aus dem Universum und bildet quasi einen zweiten, nichtsichtbaren Körper um uns. Es ist der Körper, der unser Sein als Mensch überhaupt erst ausmacht. Es könnte das sein, was wir Seele nennen und was unser eigentliches Ich ausmacht, falls es ein Ich überhaupt gibt.

Auf jeden Fall ist es die Steuerungs- und Informationsebene für unseren Körper.

«Antrieb ist eine eigenständige Lebensenergie, die nicht nur unsere Formen erschafft, sie hält diese auch am Leben.»
Walter Häge

Dies deckt sich gut mit den Erkenntnissen der Radiästhesie. Es ist für uns überhaupt keine Schwierigkeit, den Ätherleib⁸ der Pflanze, nämlich ihre Aura, mit der Einhandrute festzustellen und zwar bis auf den Zentimeter genau! Hochinteressant wird es auch bei uralten Bäumen. Hier kann die feststellbare Aura schon einmal 20 bis 40 Meter betragen. 

Den für seine bahnbrechenden Ideen bekannte Arzt von Hohenheim, genannt Paracelsus, 1493–1541, der als erster moderner Mediziner gilt, gibt es ein äusseres Prinzip – den Körper, ein inneres Prinzip – der innere astrale Mensch und ein innerstes Prinzip – den Gott im Menschen. Paracelsus, der mit seiner Betrachtungsweise nach innen und nicht nach aussen geht, nennt den astralen Menschen ebenfalls den Schatten des sichtbaren Körpers. Dieser Schatten ist nicht-materiell, quasi die vor dem Körper seiende Ur-Gestalt, der Archetypus, der Archäus, wie Paracelsus ihn nennt.

Und Paracelsus Definition von Krankheit ist heute, über 400 Jahre danach, wieder hochaktuell: Wenn der Astralkörper sich unregelmässig, abnorm verhält, wird der Mensch als Folge davon krank. Krankheit entsteht im nicht-stofflichen Bereich und schwingt sich dann in unseren stofflichen Körper ein.

Neuer Vitalismus

Durchgängig herrscht die Meinung, dass dieser nicht-stoffliche oder feinstoffliche Körper, im Gegensatz zu unserem dreidimensionalen, grobstofflichen aus Licht besteht.

Die alten Ägypter sahen das so, der Grieche Damaskios schreibt darüber, ebenso die Chinesen, die Tibeter und die Inder. Selbst die Römer umgeben ihre Götter ab und an mit einer leuchtenden Aura. Der Heiligenschein ist jedem Christen ein Begriff. 

Es ist die nicht sichtbare Energie des Äthers, jener universellen Kraft, jener anima mundi, jener Seele der Welt, die man sich als die alles Durchdringende, feinstoffliche Substanz vorstellte. Für etwa hundert Jahre musste die Äther-Theorie und mit ihr der Vitalismus das Feld räumen. Erstens, weil dies das Jahrhundert der Rationalisten war, die alles Nicht-Messbare als okkult hinwegfegten, und zweitens, weil ausgerechnet Albert Einstein mit seiner speziellen Relativitätstheorie alle Felder im Raum als elektromagnetisch erklären konnte.

Der eine Aspekt, der die Quantenphysik ausmacht, eben die Relativitätstheorie, würgt den vitalistischen Gedanken mit ab, aber der zweite Aspekt, die Quantenmechanik, verhilft dem Vitalismus zu einem ungeahnten Comeback. Selbst Rupert Sheldrake, der sich dagegen wehrt ein Vitalist zu sein, ist einer der jungen Wegbereiter für ein neues vitalistisches Denken.

Aura Kommunikation

Der ätherische Körper ist die Steuerungsebene unseres dreidimensionalen Körpers. Er ist die innerste Auraschale, etwa von 40cm bis 1,20m vom Körper entfernt, die radiästhetisch genau aufspürbar ist. Hier ist auch zu sehen, ob der Mensch in seiner Mitte steht, das heisst tatsächlich inmitten seiner Aura oder ob diese durch Krankheit oder eine psychische Verletzung verbeult ist. 

Wenn wir diese radiästhetisch messbare innere Auraschale verzehnfachen, so haben wir eine Radius-Vorstellung des nicht-sichtbaren Körpers, mit dem wir uns bewegen. Oder besser umgekehrt: der nicht-sichtbare Körper bewegt so den sichtbaren. Deshalb haben Zeitgenossen mit enger Aura in Menschenmengen Vorteile. Menschen mit grosser Aura findet man selten bei Massenveranstaltungen. Sie können sich bereits unwohl fühlen, wenn nur einzelne Menschen anwesend sind, die ihnen nicht behagen. Das sind meist die grossen, schmalen Menschen mit den feingliedrigen, langen Fingern, die eher an niedrigem, als an zu hohem Blutdruck leiden, die morgens nicht aus dem Bett kommen und eigentlich immer zu kalt haben. Die kleinen Lustigen, die sich oft in Gesellschaft so richtig wohl fühlen, das sind in der Regel diejenigen mit kleiner Aura. 

Der Vitalismus bis Hans Driesch

Der Vitalismus gründet sich auf Aristoteles, der als dessen Vertreter des Altertums überhaupt gilt. Bis ins 18. Jahrhundert hatte seine Theorie vom Leben Gültigkeit, auf die sich auch die Biologie stützt.

In seinen Schriften Von der Zeugung und Entwicklung der Tiere und Drei Bücher über die Seele sind grundlegende vitalistische Gedanken zu finden, die erst Jahrhunderte später wieder aufgegriffen und weitergeführt wurden. So gesehen gibt es eine gerade Linie, die mit Sicherheit über Hans Driesch⁹ hinausführt.  

Aristoteles sagt in seiner Entwicklungstheorie: «Denn notwendig muss jedes Entstehende aus Etwas entstehen und durch Etwas und als Etwas.»

Die Frage ist, durch was nun etwas entsteht. Nehmen wir zum Beispiel eine Marmorstatue, vielleicht ein wunderschöner Frauen- oder Männerkörper. Wodurch oder durch was ist sie entstanden? Durch die Wirklichkeitswerdung im Geiste des Bildhauers, durch die Dynamis, sagt Aristoteles. Es ist dies die gestaltende Kraft, die Möglichkeit, die der Bildhauer zum Ausdruck bringen kann. Diese Möglichkeit ist bereits im rohen Marmorblock enthalten, sie muss nur realisiert werden.

Diese potentielle Möglichkeit nennt Aristoteles Entelechie. Sie ist der Grund des Energiestromes und dessen formende Kraft. Sie ist die erschaffende Kraft vor der Energie, die mit ihren Absichten den Impuls an die Energie gibt, sich nach ihrem Willen zu formen.

Die Entelechie in ihrer deutschen, wörtlichen Übersetzung heisst: Was sein Ziel in sich selbst hat.

Sheldrake schreibt dazu: «Zum Leben gehört also ein Energiestrom, den man als Aspekt des universalen Energiestroms auffassen kann, und ein formatives Prinzip, das einem Organismus gleichsam sein Ziel vorgibt, zu dem seine Lebensprozesse hingezogen werden. Worin nun aber dieses formative Prinzip besteht, das ist die grosse Frage.

Schon seit mehr als dreihundert Jahren ist die Wissenschaft vom Leben der Schauplatz eines endlosen und manchmal erbittert geführten Disputs über eben diese Frage.»¹⁰

Der zu seiner Zeit weitläufig bekannte Professor der Biologie, der Embryologe und Philosoph Dr. Hans Driesch übernahm diesen Begriff der Entelechie und formte eine umfassende vitalistische Theorie daraus.

Voller Hochachtung schreibt Sheldrake über seinen Vorkämpfer, der, zeitweise als Okkultist geschmäht und vergessen ging, nun durch die Quantenmechanik wieder zu ungeahnter Aktualität gelangt: «In Anlehnung an Aristoteles nannte er den nicht-materiellen zielgerichteten Vitalfaktor Entelechie. Für ihn enthielt die Entelechie eines Organismus irgendwie die Form oder den Plan seiner ausgewachsenen Gestalt und zog den sich zu entwickelnden Organismus zu diesem Ziel hin. Innerhalb dieses Organismus sah Driesch eine geschachtelte Hierarchie von Entelechien, etwa die Entelechie des Auges und in dieser wiederum Entelechien seiner Teile, also der Netzhaut, der Linse und so weiter. Die Gene, so sagte er, sind für die chemische Seite des Aufbaus eines Organismus verantwortlich; aber wie diese chemischen Stoffe in Augen, Blättern, Federn und Gehirnen zu Zellen, Geweben und Organen gefügt werden, das hängt von den Entelechien ab.»

Driesch glaubte, dass die Entelechie den physikalischen und chemischen Prozessen im Organismus eine Ordnung gibt. Sich selbst überlassen, würden sie regellos ablaufen.

Driesch war mit seiner Theorie der Zeit voraus. In der Welt der Physik Newtons war kein Platz für solch einen Denkansatz: Dies schien eine fatale Schwäche seiner Theorie zu sein, denn dass irgend ein mysteriöser Vitalfaktor die Physik ausser Kraft setzen könnte, war einfach undenkbar.

Wie die Ironie der Geschichte mutet es an, dass Drieschs Theorie erst in den zwanziger Jahren, als die mechanistische Theorie sich die Vormachtstellung in der akademischen Biologie eroberte und der Vitalismus als überwundene Irrlehre galt, durch die Quantenrevolution erheblich an Plausibilität gewann…

Die Entelechie im Vitalismus ist also die Ursache eines Verhaltens auf ein Ziel hin. Die Steuerungsebene, die alles Notwendige koordiniert, um zu diesem gesetzten Ziel zu gelangen.

Die Entelechie lenkt die Formentstehung, die Morphogenese¹¹ des sich entwickelnden Organismus auf die charakteristische Form seiner Art hin.

Die Gene stellen die materiellen Mittel der Morphogenese, die chemischen Substanzen, die in eine bestimmte Ordnung gefasst werden. Das Ordnen selbst ist die Aufgabe der Entelechie.

Sheldrake: «Doch wie seltsam: Gerade gegen Ende der zwanziger Jahre, als die meisten Biologen den Vitalismus für endgültig erledigt hielten, wurde die Physik von ebenso ungeahnten wie ungeheuren Umwälzungen erschüttert. Heisenberg formulierte 1927 sein Unschärfe-Prinzip, und als die Quantentheorie sich entwickelte, wurde deutlich, dass physikalische Prozesse auf der atomaren und subatomaren Ebene nicht voll determiniert¹² sind und sich nur statistisch als Wahrscheinlichkeiten voraussagen lassen.

Driesch widersprach nicht der Auffassung, dass an organischen Prozessen manches mechanistisch zu erklären sei; er kannte die Bedeutung der Enzyme und anderer Proteine und glaubte auch, dass man für die Gene schliesslich eine chemische Erklärung finden würde – wie es dann auch tatsächlich der Fall war. Er blieb jedoch dabei, dass Entwicklung und Verhalten auf mechanistische Weise niemals erschöpfend zu erklären sein werden, sondern nur unter dem Gesichtspunkt zielgerichteter Organisationsprinzipien zu verstehen seien.

Diese Behauptung konnte bis heute nicht entkräftet werden. Über die physikalische und chemische Seite der Morphogenese wissen wir nach wie vor sehr wenig, und die Organisationsprinzipien der Vitalisten, von der mechanistischen Theorie einst verworfen, sind in neuer Aufmachung als egoistische Gene, genetische Programme und dergleichen zurückgekehrt. Das Paradigma der neueren Biologie erweist sich bei näherer Betrachtung sogar als eine Art genetischer Vitalismus.»¹³

Vitalismus bei Goethe

Zwischen Aristoteles und Hans Driesch gab es viele namhafte Wissenschaftler, die sich aktiv mit dem Vitalismus beschäftigt haben. 

Vielen ist nicht bekannt, dass Goethe ein grosser Naturforscher in bester vitalistischer Tradition war. Seine botanischen und anatomischen Arbeiten sowie seine Farbenlehre sind lesenswert. Die 13 Bände naturwissenschaftlicher Schriften in der Weimarer Ausgabe stellen ein gewaltiges naturwissenschaftliches Werk dar! 

Von der christlichen Religion und ihren Vertretern hatte Goethe eine sehr klare Meinung, die ich nicht interpretierend, sondern im Original-Zitat wiedergeben möchte. Ich bin glücklich, diese Texte Goethes in seinem riesigen Werk gefunden zu haben, gehören sie doch zu jenen, die man tunlichst nicht zitiert. Wegen der Grundsätzlichkeit der Aussagen, durch die wir einen Goethe erleben, wie er uns normalerweise nicht gezeigt wird, nimmt das Zitat einen ungewöhnlich grossen Raum ein:

«Dadurch, dass der christlichen Kirche der Glaube beiwohnt, dass sie als Nachfolgerin Christi von der Last der menschlichen Sünde befreien könne, ist sie eine sehr grosse Macht. 

«Ich frage nicht, ob dieses höchste Wesen Verstand oder Vernunft habe, sondern ich fühle, es ist der Verstand, es ist die Vernunft selber.»
Johann Wolfgang von Goethe

Freilich ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche. Aber sie will herrschen, und da muss sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr, als die Aufklärung der unteren Massen.

Sie hat ihnen auch die Bibel lange genug vorenthalten, so lange als irgend möglich. Was sollte auch ein armes, christliches Gemeindeglied von der fürstlichen Pracht eines reichdotierten Bischofs denken, wenn es dagegen in den Evangelien die Armut und Dürftigkeit Christi sieht, der mit seinen Jüngern in Demut zu Fuss ging, während der fürstliche Bischof in einer von sechs Pferden gezogenen Karosse einherbraust.

Ich bin gewohnt, die Welt als Naturforscher anzusehen, und als solcher suche ich Gott. Denn die blosse Naturbeschreibung und Benennung der Dinge soll uns nicht genügen. Sie sagt: das ist Tonerde und das ist Kieselerde. Was helfen mir denn die Teile, was ihre Namen? Was ist auch im Grunde aller Verkehr mit der Natur, wenn wir auf analytischem Wege bloss mit einzelnen materiellen Teilen uns zu schaffen machen und wir nicht das Atmen des Geistes empfinden, der jedem Teile die Richtung vorschreibt und jede Ausschweifung durch ein innewohnendes Gesetz bändigt oder sanktioniert? Hinter jedem Wesen steckt die höhere Idee. Das ist mein Gott, das ist der Gott, den wir alle ewig suchen und zu erschauen hoffen, aber wir können ihn nur ahnen, nicht schauen.

Ich frage nicht, ob dieses höchste Wesen Verstand oder Vernunft habe, sondern ich fühle, es ist der Verstand, es ist die Vernunft selber. Alle Geschöpfe sind davon durchdrungen, und der Mensch hat davon so viel, dass er Teile des Höchsten erkennen mag.»¹⁴

Als Naturforscher betont Goethe immer wieder, dass beim Studium der Naturvorgänge stets die Zusammenhänge gelten und nicht die einzelnen Phänomene. Dann gilt es, die Zusammenhänge miteinander zu verknüpfen. Nichts ist für die Wissenschaft schädlicher, als enge begrenzte Theorien aufzustellen. «Kein Phänomen erklärt sich an und aus sich selbst, nur viele zusammen überschaut, methodisch geordnet, geben zuletzt etwas, was für eine Theorie gelten könnte.»¹⁵

Es gilt, so sagt Goethe, die Phänomene, die Erscheinungen, die Manifestationen der Natur in eine kontinuierliche, in eine fortlaufende Reihe zu stellen. Vom einfachsten Fall an lassen sich dann alle anderen Erscheinungen, seien sie auch noch so kompliziert, ableiten.

Er nennt diesen einfachsten Fall, diese einfachste Erscheinung Urphänomen. Dieses ist für ihn die Grenze des menschlichen Schauens, die letzte Anschaulichkeit. Hinter diesem Urbild, das alles andere nach sich zieht, ist sonst nichts mehr zu finden. Er sagt: «Man suche nur nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre.» 

Goethes Gott liegt in der beseelten Natur, die Natur ist Gott. Sie schafft und erschafft und wirkt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Goethe fordert uns auf, nach den Ideen zu suchen, die dem Lebenden und Seienden, zugrunde liegen. Gott ist in uns.

Anmerkungen

1 Im Sinne der Quantenphysik muss auch die nicht-lebende Materie mit einbezogen werden

2 Ken Wilber Halbzeit der Evolution, Goldmann 1993

3 Hesekiel 1, Kapitel 1

4 Vitalismus – Lehre, die Lebenskraft als eigenständiges Prinzip annimmt

5 Hans Driesch Der Vitalismus als Geschichte und als Lehre, Verlag J.A. Barth, Leipzig 1905

6 Entelechie – deutsche, wörtliche Übersetzung: Was sein Ziel in sich selbst hat

7 Telelogie – Die Lehre über das durchgängig zielorientierte Ablaufen von Handlungen oder Entwicklungsprozessen

8 Rudolf Steiner Die Geheimwissenschaft im Umriss, Verlag Max Altmann, Leipzig 1910

9 Hans Driesch, 1867–1941, deutscher Biologe und Philosoph

10 Rupert Sheldrake Die Wiedergeburt der Natur, Rowolt 1994, S. 117, 124

11 Morphogenese – Ausgestaltung und Entwicklung eines Organismus

12 determiniert – vorbestimmt

13 Rupert Sheldrake Das Gedächtnis der Natur, Scherz Verlag 2011, S. 112

14 J.W. v. Goethe Meine Religion, mein Glaube Hrsg: W. Bode, Berlin 1902

15 R. Magnus Goethe als Naturforscher, J.A. Barth-Verlag, Leipzig 1906, S. 293

Autor

Walter Häge
DE–76857 Gossersweiler-
Stein
walter.haege@t-online.de
Autor, Gründer der
Gesundheitsstiftung
selbstheilung-online.com 

Ganzen Artikel lesen für FR 3.-

Dieser Artikel ist kostenpflichtig.
Sie können den Artikel hier kaufen oder ein Jahresabo bei uns bestellen.

In welcher Währung möchten Sie bezahlen?

Kommentare

    Sie müssen angemeldet sein um einen Kommentar zu schreiben.

    Anmelden