Zur eigenen Resonanzfähigkeit
Am 07.07.2022 durfte ich als Gast an einer Redaktionssitzung der Zeitschrift Radiästhesie Radionik teilnehmen. Es sollte um die Themen Lebenskraft und Resonanzfähigkeit gehen. Im Nachklang der Sitzung fiel mir auf, wieviel beim Thema Lebenskraft über Musik und Klang gesprochen wurde und dass die Frage der Resonanzfähigkeit nicht so intensiv diskutiert wurde. Dies hat mich inspiriert, über meine eigenen Empfindungen und Resonanzfähigkeit im Therapieprozess mit meinen Patientinnen und Patienten nachzudenken.
Als universitär ausgebildete Ärztin durfte ich nach meinem Abschluss als Fachärztin überwiegend ganzheitlich, naturheilkundlich biologisch und homöopathisch tätig sein. Um mich weiterzubilden, folgte ich intuitiv allem, was mich selbst weiterbrachte und dies konnte ich dann wieder für die Behandlungen und Entwicklungsunterstützung zum Wohl meiner Patientinnen und Patienten einsetzen. Ich konnte individueller verstehen, für welchen Impuls dieser Mensch in diesem Augenblick empfänglich war. Ich bin dankbar für all die Lebensgeschichten und einzigartigen Bewältigungsstrategien, die mir anvertraut wurden.
Mir fällt auf, wie oft die musikalische Sprachwelt mitspielt: «Wie ist Ihre Stimmung heute? Was hatte Sie so verstimmt? Ihr Herz ist etwas aus dem Rhythmus. Findet meine Therapie bei Ihnen Anklang, was bringt sie bei Ihnen zum Schwingen? Wollen wir uns über das Behandlungsziel nochmals abstimmen, um gemeinsam im Einklang zu entscheiden?» Shared Descision Making ist ein feststehender Begriff in der moderneren Medizin, man hält es für einen wichtigen Genesungsfaktor.
Es geht eben auch in der universitären Medizin um Wellenlängen, Resonanzphänomene und Rhythmen. Schauen wir zum Beispiel auf das Wunder der Embryonalentwicklung im Mutterleib – der kindliche Herzschlag bleibt immer rhythmisch auf den Herzschlag der Mutter abgestimmt. Oder das Gehör, es ist als erstes Sinnesorgan schon um die 18. Schwangerschaftswoche in der Lage, Töne wahrzunehmen. Nach der Geburt entwickeln sich dann die Spiegelneuronen im Gehirn durch die Resonanz zwischen den Emotionen und Gesichtsausdrücken der Mutter und dem Kind. Verläuft dies in Harmonie, entwickelt sich das Neugeborene zu einem empathischen und empfindsamen Wesen. Mutter und Kind sind in Resonanz durch Feinfühligkeit und bedingungslose Liebe.
Gehen wir ins Erwachsenenalter, ist nachgewiesen, dass viele chronische Krankheiten im Zusammenhang mit Rhythmusverlust entstehen, an erster Stelle natürlich Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems wie Bluthochdruck mit Non-Dipping (fehlender Blutdruckabfall) in der Nacht oder Vorhofflimmern. Die Herzfrequenzvariabilität gibt Auskunft über den Stresslevel und die Erholungsfähigkeit des vegetativen Nervensystems und ist ein früher Indikator für mögliche Krankheitsentwicklungen. Dies wusste die Traditionelle Chinesische Medizin schon sehr lange, sie arbeitet ja mit der Pulsdiagnostik.
Offenbar erzeugt das Herz selbst Klänge, Melodien und sogar Obertöne. Daraus wurden elektronisch generierte Melodien als Therapie entwickelt – man hört die eigene Herzmusik.
Meinen Patientinnen und Patienten erkläre ich das homöopathische Heilprinzip gerne mit einem musikalischen Bild, zum Beispiel so: «Ihre Krankheit ist wie ein Orchester, in dem einige Instrumente verstimmt sind oder eine falsche Melodie spielen und dadurch Dissonanzen entstehen. Der Dirigent ist leider abwesend – es braucht also eine ordnende Kraft, einen Taktgeber, etwas Feingehör, eine Abstimmung der Melodie, um wieder in die Harmonie zu kommen.»
Diesen heilenden Impuls zu finden ist aus meiner Sicht der therapeutische Auftrag im Sinn einer echten Heilkunst. Wie kann ich in diesem Kontext die eigene Resonanzfähigkeit schulen, um wie ein Instrument zu einem Klangkörper für die individuelle Melodie des kranken Menschen zu werden? Ganz sicher geht es um Achtsamkeit und Herzensbildung: «Man sieht nur mit dem Herzen gut», sagt der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry, Achtsamkeit sich selbst und der ganzen Schöpfung gegenüber, Demut, Respekt, Hingabe, Dankbarkeit und Offenheit.
Schon Samuel Hahnemann hat im Organon der Heilkunst auf die Wichtigkeit der Unvoreingenommenheit des Therapeuten hingewiesen. Eine unabdingbare Voraussetzung für den therapeutischen Prozess. Wenn ich also nicht loslasse von eigenen Themen, Überzeugungen, Konzepten, Bewertungen oder eigenen Verletzungen, werde ich nicht zum Gefäss oder zum Klangkörper, in dem sich die Melodie des erkrankten Menschen zum Ausdruck bringen kann. Wirklich in Resonanz zu kommen erfordert ein offenes Herz und kindliche Neugierde sowie den wahrhaften Wunsch, das Gegenüber in seiner Einzigartigkeit verstehen zu wollen. Die dafür notwendige Feinfühligkeit lässt sich auf vielfältige Weise trainieren und weiter entwickeln. Zum Beispiel mit Achtsamkeit, Meditation, in der Natur sein, künstlerisch oder musikalisch tätig sein und mit allem was eine Resonanz in uns selbst erzeugt und sich im Herzen stimmig anfühlt.
Praxis-Tipp von Dr. med. Stephanie Wolff
Betrachten Sie Ihre Krankheiten und Symptome nicht als Feinde, sondern als individuelle Lösungsversuche für ein schon länger bestehendes Ungleichgewicht von Leib und Seele. So eröffnet sich ein kreatives Feld von möglichen Therapien, die zu höherer Bewusstheit und Autonomie führen und im Idealfall auch zur Heilung im Sinn von Ganzwerden – im Einklang mit sich selbst.
Autor
Dr. med. Stephanie Wolff
CH-8180 Bülach
dr.wolff@homoeopathie-buelach.ch
homoeopathie-buelach.ch
Ärztin für Komplementärmedizin, Fachärztin FMH,
Homöopathin ECH, DZVhÄ, SVHA
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