Demut vor dem Alten

Topophilia Effekt Radiästhesie Radionik
Geschichten von Orten und Gebäuden und wiederkehrende Muster: Es gibt Orte, an denen Beziehungen eher halten oder eher zerbrechen. Foto: Peter H, Pixabay

Dr. Roberta Rio geht für Privatpersonen oder Unternehmen der Frage nach, wie Orte und Gebäude das Leben beeinflussen, was die Ahnen über die Wirkung des Ortes wussten und wie man mit dem Genius Loci positiv umgehen und leben kann. Sie tut es aus Sicht der Historikerin, als Erste ihres Faches. 

Rio recherchiert für ihre Auftraggeber die Geschichte von Gebäuden, Wohnungen oder Grundstücken und stösst dabei immer wieder auf erstaunliche, wiederkehrende Muster. In ihrem Buch Der Topophilia-Effekt – Wie Orte auf uns wirken, zeigt sie, was die Etrusker, die Römer und die Dombaumeister des Mittelalters über die Wirkung von Orten wussten, was wir selbst darüber wissen sollten und wie wir es herausfinden können. Rio liefert eine nüchterne Zusammenfassung dessen, was sie bei ihren Recherchen gefunden hat und macht es für den Eigenbedarf anwendbar. 

Woran erkennen wir, ob ein Ort gut oder schlecht für uns ist? Welcher Ort ist gut, um zu ruhen und welcher, um zu arbeiten? Warum gibt es Orte, an denen Beziehungen eher halten und andere, an denen sie eher zerbrechen?

Topophilia, von griechisch topos – Ort und philia, freundschaftliche Beziehung zwischen Liebenden, kann mit Ortsliebe oder Ortsverbundenheit übersetzt werden. 

Dr. Roberta Rio ist promovierte Historikerin mit Gastprofessuren an den Universitäten von Bologna, Wien und Berlin. Ihre historisch-intuitive Forschungsmethode zur Analyse von Orten präsentierte sie erstmals 2011 an der Universität von Glasgow. 

Sie beschäftigt sich mit den Sprachen Altgriechisch, Latein, Hebräisch, Sanskrit und lebt in Kärnten und Bayern.

Topophilia Effekt Roberta Rio Radiästhesie Radionik
Dr. Roberta Rio: Harmonie durch Natur, wo alle Dinge von sich aus den Gesetzen der Harmonie und letztlich der Schönheit folgen. Foto: Lukas Beck

Interview

RR: Roberta Rio, was ist Harmonie und wie stellen Sie es für sich her?

Roberta Rio: Harmonie ist eine Frage von Proportionen und Gleichgewicht. In der Architektur besteht Harmonie, wenn Gebäude zueinander passen. Das führt zu einem Gefühl der Harmonie beim Menschen. Es geht um die Frage, wie einzelne Teile von etwas zueinanderstehen und letztlich um Schönheit. Unsere Vorfahren hatten Gesetze, die alle Bereiche des Gestaltens betrafen. Wenn ich selbst nach Harmonie suche, begebe ich mich in die Natur, wo alle Dinge von sich aus diesen Gesetzen folgen. Dann bin ich sehr schnell in Harmonie mit mir und der Welt.

RR: Ihr neuestes Buch heisst Der Topophilia Effekt – Wie Orte auf uns wirken. Was hat Sie motiviert, das Buch zu schreiben?

Roberta Rio: Als Historikerin recherchiere ich seit 2008 die Geschichte von Orten, im Auftrag von Unternehmen, aber auch von Privatpersonen. Ich versuche, darin wiederkehrende Muster zu erkennen, aus denen sich Schlüsse darüber ziehen lassen, was der Ort mit seinen Bewohnern, beziehungsweise Nutzern macht. Mit der Zeit ist mir immer klarer geworden, wie sehr Orte unser Leben mitbestimmen und wie wenig uns das bewusst ist. Während es für unsere Ahnen noch selbstverständlich war, dass Orte eine Wirkung haben, ist das in unserer aufgeklärten Gesellschaft in Vergessenheit geraten. Ich möchte das Wissen über die Wirkung von Orten und Gebäuden wiederbeleben. Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben.

RR: Was ist für Sie die Kernaussage?

Roberta Rio: Die Orte, an denen wir Leben, Arbeiten oder Urlaub machen, bestimmen über unsere Gesundheit, unsere Zufriedenheit, unseren Wohlstand, unseren Erfolg und über die Qualität unserer Beziehungen mit, ohne dass wir es merken. Deshalb sollten wir uns mit ihnen möglichst genau auseinandersetzen. Und noch etwas wichtiges dazu: Wir sollten mehr Demut vor dem Alten haben. Bei meinen Recherchen berücksichtige ich ein Wissen, das sich oft über Jahrtausende gehalten hat. Es ist erst in unserer Zeit, in der Rationalität und logische Nachvollziehbarkeit über allem steht, verlorengegangen. Unsere Vorfahren, egal ob Römer, Etrusker oder frühere Völker, haben nie etwas dem Zufall überlassen. Egal ob bei ihrer Besiedlungsstrategie oder in punkto Gesundheit. Der Genius Loci stand im Mittelpunkt. Nehmen wir ein Beispiel dafür: Unsere Ahnen überlegten sich sehr genau, wo sie ihre Friedhöfe anlegten. Die Orte mussten einen dafür geeigneten Geist haben, also, zeitgemässer formuliert, in diesem Fall musste dort eine natürliche Strahlung der Erde vorhanden sein, die zum Beispiel Zersetzungsprozesse begünstigt. Sie haben diese Information durch die Intuition und das Beobachten von Tieren und der Natur erhalten.

Durch unser Bedürfnis nach Messbarkeit ist vieles verloren gegangen. Der Zwang zur alleinigen Deutungshoheit der Wissenschaft über die Welt ist ein blutjunges Phänomen, wenn man die Menschheitsgeschichte betrachtet. Ich wünsche mir in unserer modernen, rationalen Gesellschaft mehr Demut vor dem Wissen unserer Ahnen. Und statt es als Aberglaube zu bezeichnen, starten wir mehr interdisziplinäre Forschungsprojekte, um zu entdecken was unsere Ahnen, mit anderen Worten gemeint haben. 

«Es gibt keinen Ort, der per se gut oder schlecht ist.»
Dr. Roberta Rio

RR: Welche Faktoren prägen die Ortsqualität?

Ich bin keine Naturwissenschaftlerin, sondern eben Historikerin. Das heisst, ich erhebe statistisch, was an einem Ort immer wieder passiert ist und was möglicherweise dort wieder passieren wird. Auch unsere Ahnen haben sich weniger damit befasst, warum ein Ort eine bestimmte Wirkung hat, sondern eher damit, welche Wirkung das ist, wie sie diese Wirkung erkennen und wie sie mit ihr umgehen. Naturwissenschaftlich scheint mir relativ gut belegt zu sein, dass etwa Wasseradern eine Rolle spielen. Viele sakrale Bauten zum Beispiel orientieren sich an ihnen. 

Ich sage immer: Es gibt keinen Ort, der per se gut oder schlecht ist, wir können ihn nur gut oder schlecht nützen. Lassen Sie es mich so erklären:
Es gibt keinen schlechten Ort, es gibt nur Orte, die wir schlecht, also für die falschen Zwecke nutzen.

RR: Wie kann die Wirkung von Geschichten eines Ortes für die Bewohner zustande kommen, wenn sie die Geschichten nicht kennen?

Ich wäre sehr glücklich, wenn sich die Naturwissenschaften mit der Erforschung dieser Frage befassen würden. Ich halte die Frage für ausserordentlich wichtig, auch aus sozialmedizinischer Sicht. Ich hoffe mit meinem Buch einen Beitrag zu leisten. Die alten Römer, aber auch etwa der grosse Psychiater C.G. Jung nahmen einfach zur Kenntnis, dass es etwas gibt, das sie Spiritus Loci nannten – und lebten damit.

RR: Was beinhaltet der Geist des Ortes, Genius Loci für Sie? 

Das ist für mich ein Sammelbegriff für alle Wirkungen, die er entfalten kann, welchen Ursprungs sie auch immer sind.

RR: Welche Erfahrungen haben Sie mit Radiästhesie und Radionik gemacht?

Ich bin hier absolute Laiin. Ich kann nur erzählen, dass meine Mutter chronisch krank war und ich hatte festgestellt, dass der griechische Wanderarzt Hippokrates für so einen Fall einen Ortswechsel empfahl. Weil sie das ablehnte, engagierte ich in meiner Not einen Radiästheten, der das Haus und ihr Zimmer überprüfte und zu dem gleichen Schluss kam. Leider wollte sie nicht einmal ihr Bett umstellen. Einige Monate später verstarb sie. Ich habe mich dann mit vielen Schriften auseinandergesetzt. Es waren Werke von Chauméry, Bélizal und Morel dabei, die mich als Historikerin sehr fasziniert haben. Auch in diesem Fall, um ihre Forschungen zu deuten, würde ich mir ein interdisziplinäres Forschungsprojekt wünschen. Auch mit Naturwissenschaftlern, Biologen, Chemikern, Physikern, um messbare Parameter zu sammeln. Da wäre ich sofort dabei. Mit mehr Demut könnten wir vieles von unseren Ahnen lernen, das unser Leben unterstützen könnte. Als Historikerin bin ich davon überzeugt.

Die Methode Rio

Dr. Roberta Rio: «In meiner historisch-intuitiven Methode spielt die Intuition eine ganz wichtige Rolle. Sie kommt nicht aus dem beschränkten Gefühlsbereich der einzelnen Person. Wenn wir bereit sind, den Menschen als Teil eines viel grösseren und ausgedehnteren Ganzen zu sehen, wird es plausibel, dass er Signale, Botschaften, Sinneseindrücke und Intuitionen aus einem Bereich empfängt, der ausserhalb seiner selbst liegt. 

Einige Werke der Antike, Bauwerke und Gegenstände entstanden nicht, um mit dem Verstand des Menschen in Verbindung zu treten, sondern um Botschaften zu vermitteln, die ihre Erbauer von dem genannten »Ausserhalb« empfingen. 

Es geht nicht darum, den klassischen Ansatz der Wissenschaft abzulehnen, sondern ihn mit neuen Elementen zu bereichern, die in dieser geschichtlichen Phase der Menschheit ausdrücklich gefragt sind. 

Unsere heutige Aufgabe besteht also nicht darin, etwas neu zu entdecken, sondern darin, etwas wiederzuentdecken, nämlich die Kenntnisse und Fähigkeiten, die unsere Vorfahren besassen und benutzten.

Wenn wir bereit sind, Sakrales und Profanes, Objektives und Intuitives, Wissenschaftliches und Künstlerisches zu vermischen, können wir zu Entdeckungen von Bedeutungen gelangen, die uns andernfalls verwehrt bleiben oder uns als ewige Mysterien beschäftigen.»

Worauf bei einer Wohnungsbesichtigung achten?
Tipps von der Historikerin

* Beim Betreten der Wohnung auf den ersten Eindruck achten.
* Nachbaren fragen: Haben die Vorbesitzer viel gestritten?
* Ringsum schauen: Leben da viele glückliche Paare und Familien? Gesunde Menschen? Erfolgreiche Unternehmer?
* Einen Hund ausborgen und mitnehmen, um zu sehen, ob er sich entspannen kann. 
* Auf die Pflanzen achten. Wenn im Garten die Rosen besonders schön sind, ist das ein gutes Zeichen. Rosen fühlen sich dort wohl, wo sich auch Hunde wohl fühlen. Wenn die Tomaten besonders üppig wachsen, ist das eher ein schlechtes
Zeichen. Die fühlen sich dort wohl, wo sich Katzen wohl fühlen, aber nicht wir Menschen.
* In Gemeindearchiven recherchieren: was ist bisher da passiert?

Dr. Roberta Rio
A-9241 Wernberg
office@riobeyondborders.org
topophilia-effekt.com
Historikerin

Autor

Redaktor Daniel Linder

Roberta Rio Der Topophilia Effekt – Wie Orte auf uns wirken, Edition a 2020

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